Die Entscheidung der Hebamme
daran zu hindern, den Neuankömmlingen eine Nachricht zuzurufen.
Mit der anderen Hand griff er nach ihrem Witwenschleier, der vor dem Bett auf dem Boden lag, und knebelte sie damit erneut.
Dann stand er auf, zog sich an, griff nach Dolch und Schwert und ließ die Tür hinter sich laut zukrachen.
Marthe – nackt und immer noch an den Bettpfosten gefesselt – versuchte, sich so weit aufzurichten, dass sie aus dem Fenster sehen und erkennen konnte, was auf dem Hof von Ekkeharts Stammsitz vor sich ging. Mit einiger Mühe fand sie zu einer Position, die ihr, so unbequem sie auch war, einen Blick nach unten gestattete.
Sie hatte sich nicht verhört: Es war tatsächlich Lukas, der dort unten lauthals Einlass forderte. Und in seiner Begleitung waren mehr als ein Dutzend Ritter – all jene, die zu Christians Begräbnis gekommen waren.
In Gedanken verwünschte Ekkehart den Umstand, dass er derzeit nur wenige Bewaffnete hier hatte. Die Mehrzahl seiner Männer hatte er vor ein paar Tagen losschicken müssen, damit sie Otto und Hedwig entgegenritten. Nachricht war eingetroffen, dass der Kaiser auf dem Hoftag in Fulda von seinem Vetter Ludwig die Freilassung Ottos gefordert und die beiden Rivalen zum Friedensschluss gezwungen hatte. Nun waren Otto und sein Gefolge unterwegs nach Meißen.
Mit Mühe hatte Ekkehart als Hauptmann der Wache einen glaubwürdigen Vorwand erdacht, zunächst auf seinen Stammsitz zu reiten und der Eskorte erst in ein paar Tagen nachzufolgen. Aber Elmars Nachricht von Christians schmählichem, langersehntem und sorgfältig geplantem Ende war zu bedeutend, als dass er jetzt fortgekonnt hätte. Jetzt oder nie war die Gelegenheit gewesen, sich endlich zu holen, was ihm längst zustand: Christians Witwe.
Und der Umstand, dass ihn diesmal nichts und niemand daran gehindert hatte, erfüllte ihn mit grimmiger Freude. Mochten sich die paar Anhänger Christians jetzt auch noch so aufspielen – er hatte Tatsachen geschaffen. Er hatte sie genommen, sie gehörte nun ihm, und wenn den Kerlen da unten das Weib etwas wert war, dann machten sie lieber keine große Sache daraus. Sie sollten froh sein, wenn er noch bereit war, sie zu heiraten, nachdem er sie schon entehrt hatte.
»Was gibt es? Was schreist du so früh am Morgen auf meinem Hof herum?«, fuhr er Lukas an, der an der Spitze der ungebetenen Besucher stand und ihn wütend anstarrte.
Dieser Bursche verdiente ohnehin eine Abreibung, dreist und unverschämt, wie er war. Doch als erklärter Anhänger eines toten Verräters, noch dazu enterbt vom eigenen Vater, waren seine Tage ohnehin gezählt.
»Du hast etwas auf deinen Besitztümern, das dir nicht gehört«, konterte Lukas voller Wut.
»Und was soll das sein?«
»Christians Witwe. Sie ist vom Grab ihres Mannes entführt worden, ihre Spur brachte uns genau hierher. Gib sie auf der Stelle frei!«
Wütend umklammerte Lukas den Griff seines Schwertes, bis seine Fingerknöchel weiß wurden.
Hinter ihm standen ein Dutzend bewährter Ritter mit gegürteten Waffen. Aber auch die paar Bewaffneten, die Ekkehart noch hier hatte, fanden sich mittlerweile ein, stellten sich zu ihrem Herrn und starrten mit finsterer Miene auf die Fremden, während das aus kurzem Schlaf gerissene Gesinde ängstlich und in sicherer Entfernung die Szenerie beobachtete.
»Verschwindet sofort von meinem Hof!«, verlangte Ekkehart und stellte sein blankes Schwert mit der Spitze demonstrativ auf den Boden – genau jene Geste, die Lukas und seine Gefährten an die geplante Hinrichtung Christians erinnerte und damit ihren Zorn noch verstärkte.
In diesem Moment drang Marthes Hilferuf aus einer der oberen Fensterluken des Bergfrieds. Sie hatte es geschafft, sich von dem Knebel zu befreien.
Von glühendem Hass erfüllt, zog Lukas sein Schwert und trat drei Schritte auf Ekkehart zu. Er wusste, dass er sich in größte Schwierigkeiten brachte, wenn er den Hauptmann von Ottos Leibwache angriff, aber das war ihm gleichgültig.
»Gib sie frei, du Bastard, sofort!«, zischte er.
Ekkehart beugte sich leicht vor und sah ihn triumphierend an. »Du kommst zu spät. Der Markgraf hat sie mir zugesprochen. Sie ist mein. Sie liegt in
meiner
Kammer, in
meinem
Bett, und hat
meinen
Samen in ihrem Schoß.«
Lukas’ wütender Aufschrei hatte nichts Menschliches mehr an sich. Mit seinem Schwert stürzte er auf Ekkehart zu, doch vier von dessen Männern stellten sich ihm in den Weg.
»Versteck dich nicht hinter deinen Knechten,
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