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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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es tatsächlich geschehen. Als wäre er tatsächlich hier.«
    Erneut betupfte sie seine Stirn. »Versuch zu schlafen.«
    »Lieber nicht.« Baldus kicherte, beinahe wie ein kleines Kind. »Ich habe das ungute Gefühl, wenn ich einschlafe, wache ich nicht mehr auf.«
    »Dummes Zeug!«, erwiderte Bernina rasch. »Du hast noch viele Tage und Wochen und Jahre vor dir.«
    »Ha! Ich hoffe, unser lieber Herrgott teilt diese Meinung.«
    Mit zusammengepressten Lippen, ohne ein weiteres Wort, ließ Bernina ihn allein.
    Am nächsten Morgen war der Knecht tot. Bernina wollte ihm gerade sein Frühstück bringen, als sie seinen leblosen Körper vorfand. Sie kniete neben dem Bett nieder, sprach mit leiser Stimme ein Gebet und dachte an die zahllosen Momente, in denen ihr dieser tapfere Kerl beigestanden hatte. Als sie sich erhob, waren ihre Wangen feucht. Vorsichtig faltete sie ihm die Hände. In seine Arme war schon die Steifheit des Todes gekrochen. Eine ihrer Tränen fiel ihm ins Gesicht. Anschließend suchte sie Nils auf, der sich in der Küche befand und gerade sein Frühstück beendete. Lautlos weinte Bernina an seiner Brust.
    Einen Tag darauf fand die Beerdigung auf dem kleinen Friedhof hinter der Kirche in Teichdorf statt. Fast das ganze Dorf kam zusammen. Jahrelang als Missgeburt verlacht und zugleich beargwöhnt als Ausgeburt teuflischer Launenhaftigkeit, hatte der Einsatz des Knechtes beim Kampf gegen die Söldner einiges verändert: Sein Mut sollte unvergessen bleiben. Das Grab befand sich nur unweit jener Stelle, an der Berninas kleine Tochter ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte.
    Der Zufall wollte es, dass sich beinahe zur gleichen Stunde, als der Sarg mit Baldus in die Erde hinabgelassen wurde, im fernen Bayern ein Tross formierte, um zu einer mehrwöchigen Reise aufzubrechen. Es standen verschiedene Stationen auf dem Plan – welche genau, wusste jedoch niemand.
    Das Herzstück des Trosses bildete eine vornehme, bestens gefederte und mit herrlichen Polstern ausgestattete Kutsche, in der kein geringerer als Kurfürst Maximilian saß. Eine verhältnismäßig kleine Eskorte berittener Soldaten begleitete ihn, die eine Hälfte davon vor dem aufwendig verschnörkelten Gefährt, die andere dahinter.
    Von niemandem bemerkt, machte sich zur gleichen Stunde ein Bote auf, um ins badische Villingen zu galoppieren. Der Mann würde Franz von Lorathot über den Aufbruch des Kurfürsten unterrichten. Zur Sicherheit hatte er ihm außerdem eine Brieftaube mit einer entsprechenden Nachricht gesandt.
    In der ersten Nacht, die auf die Beerdigung des Knechtes Baldus folgte, prasselte Regen auf den Petersthal-Hof herab. Bernina wurde – genau wie Baldus, ehe er in aller Stille verstarb – von Träumen heimgesucht, in denen Mentiri sein Unwesen trieb. Sie sah ihn, wenn auch verschwommen, wie von Nebelschwaden umhüllt, sie hörte ihn reden, sie erkannte, dass er die Hand nach ihr ausstreckte, immer und immer wieder, doch jedes Mal, wenn Bernina sie zu ergreifen versuchte, zerfiel sie zu Staub, der zwischen ihren Fingern hindurch zu Boden rieselte. Einmal betrat sie in Begleitung Mentiris einen schlichten, von Kerzenlicht erhellten Raum und Sekunden darauf gesellte sich ein weiterer älterer Herr zu ihnen, dessen Augen Bernina mit eindringlicher Strenge musterten.
    Als sie morgens erwachte, erinnerte sie sich sofort daran. Zögernd holte sie die Bildfetzen zurück in ihr Gedächtnis. Der Nebel, Mentiris Stimme, seine kalkweiße Hand. Auch der Raum mit den Kerzen und der ihr unbekannte Mann. Unwillkürlich wurde sie von einem Schauer erfasst, der eisig ihre Haut überzog. Als wären die Träume ein Blick in die Zukunft und zugleich eine Warnung, dass längst nicht alles überstanden war. Als gäbe es da noch irgendetwas, was im Verborgenen lauerte.

Kapitel 7
Die Bitte eines Toten
     
    Regen, Regen, nichts als Regen. Fast schien es, als würde nun, da der Krieg sich mit der großen und verlustreichen Schlacht bei Freiburg fürs Erste ausgetobt hatte, der Himmel alles daran setzen, die Spuren von Tod und Blutvergießen hinfort zu spülen und die Erde reinzuwaschen vom Auflodern der Gewalt. Die Erinnerungen daran allerdings, die Narben, auch die auf der Seele, blieben, die konnte kein Wasser der Welt verschwinden lassen.
    In den Ebenen mochte es noch wärmer sein, hier jedoch, in höheren Lagen, wurde es zumindest nachts schon empfindlich kühl. Der Sommer war in dieser Gegend die kürzeste Jahreszeit, das wankelmütige Wetter ein ebenso

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