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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Zeit wieder Berichte über Soldaten von Mund zu Mund gingen. Ein durchreisender jüdischer Händler war angeblich der Erste gewesen, der davon sprach. Soldaten in der Nähe, kein Aufmarsch großer Truppenverbände, sondern eine kleinere, jedoch gewiss kampfstarke Einheit, die sich auf kaum genutzten Pfaden durch die Täler und über die Bergkuppen des Schwarzwaldes vorwärtsschlängelte.
    Im einzigen Gasthof Teichdorfs wurde eilends eine Versammlung einberufen. Pfarrer Egidius Blum traf mit ernster, von Sorgenfalten zerfurchter Miene ein, die Bürgerwehr erschien vollzählig. Man besprach sich, fragte sich, wie viel von den neuen Gerüchten zu halten sei und wie man darauf reagieren solle. Nils Norby schlug vor, täglich kleine Spähtrupps auszusenden, höchstens zwei oder drei Mann, auf mehr könne man dank der täglich anfallenden Arbeit ohnehin nicht verzichten. Diese Späher sollten die Gegend rund um das Dorf im Auge behalten und in gewissen Abständen die abgelegenen Höfe aufsuchen.
    »Es gibt keinen Grund, unruhig zu werden«, schloss Norby seine Ausführungen, »aber es gibt immer einen Grund, wachsam zu sein.«
    Man hielt sich an seinen Ratschlag und nahm sich zugleich vor, den Alltag aufmerksamer anzugehen, so wie damals, als die drei rätselhaften schwarz gekleideten Reiter diesen Landstrich unsicher gemacht hatten.
    Eines Morgens ertönte in der Nähe des Petersthal-Hofes das Getrappel schwerfälliger Hufe. In der Annahme, es wäre Nils, der kurz zuvor aufgebrochen war, um einen Zaun zu reparieren, trat Bernina vor die Tür. Eine Hand hielt sie sich zum Schutz gegen die Sonne vor die Augen. Von dem Reiter, der sich näherte, waren kaum mehr als die Umrisse auszumachen. »Hast du etwas vergessen, Nils?«, rief sie gerade, als ihr klar wurde, dass die untersetzte Gestalt auf dem kurzbeinigen Tier nicht ihr Mann sein konnte.
    Der Reiter riss kurz am Zügel, das Pferd hielt schnaubend an.
    »Sei gegrüßt, Bernina.«
    »Sei gegrüßt, Hermann«, antwortete sie, nachdem sie ihn erkannt hatte. »Willst du nicht absteigen? Wie wär’s mit einem Schluck frischen Wassers – ich habe eben einen Eimer aus dem Brunnen geholt.«
    Hermann Lottinger blieb im Sattel sitzen, einem großen unförmigen Stück Leder, das irgendwann von einem durchreisenden Söldner auf einem von Lottingers Feldern zurückgelassen worden war.
    »Nein, danke.« Er sah auf sie herunter. »Ist Nils nicht da?«
    »Nein. Aber er ist nicht weit.« Sie wies zu dem Tannenwäldchen, das sich im Laufe der Jahre Stück für Stück näher an den Hof geschlichen zu haben schien. »Du findest ihn hinter den Bäumen, bei dem alten Gatterzaun, den wir für die Kühe nutzen wollen. Die Viecher sind auf einmal so umtriebig.«
    Lottinger nickte knapp. »Eigentlich bist du es, zu der ich will.«
    »Aha.« Ein wenig verwundert sah sie auf. »Und was gibt es Wichtiges?«
    »Ob es wichtig ist, kann ich nicht sagen.« Mit vager Geste hob er seine Hand. »Doch das Ganze einfach auf sich beruhen zu lassen, das wollte ich nicht.«
    »Wovon sprichst du, Hermann?«
    »Von diesem verhungerten Schlitzohr, diesem dürren Männchen, das nach dir gefragt hat.«
    »Wer soll das sein?« Sie konnte sich beim besten Willen keinen Reim auf seine Worte machen.
    »Ein Fremder.« Lottinger saß nun doch ab und legte einen Arm über den speckigen Sattel. »Man hat ihn erwischt, wie er in dem kleinen Vorratsschuppen vom Gasthaus lange Finger machen wollte. Er hatte sich schon Rüben und Eier in seine Taschen gestopft. Ein dünner Kerl mit langem Bart und dicken Augenbrauen.«
    »Und dann?«
    »Na ja, sie haben ihn am Kragen gepackt, über die Hauptstraße geschleift und in diesem anderen Schuppen eingesperrt. Du weißt schon, der kleine Verschlag, der zur alten Schmiede gehört hat. Dort ist noch die Kette mit dem Eisenring in der Wand. Da hat man ja schon so manchen Diebeshund untergebracht.«
    »Sprich bitte weiter.«
    »Man hat ihn gefragt, wo er herkommt, was er will. Und natürlich auch, wie er heißt. Aber außer für ein paar Frechheiten hat er sein Maul nicht aufgemacht. Er sprach so leise, dass man ihn kaum verstand.« Lottinger scharrte mit dem Fuß in der Erde. »Und irgendwann hat er plötzlich deinen Namen genannt. Deinen und den Namen deines Hofes.«
    »Ach?« Vollends erstaunt musterte Bernina ihn. »Aus welchem Grund?«
    »Nicht die geringste Ahnung.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Hm, ich sagte es ja schon. Ein Wicht mit wallendem Bart. Schmale Schultern, Hühnerbrust,

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