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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Vorsicht walten lassen. So trug ich in jenen gefahrvollen Tagen von Freiburg eine Art Schutzweste unter dem Wams. Etwas heiß im Sommer, jedoch sehr hilfreich. Ihnen wird gewiss aufgefallen sein, dass ich an Gewicht verloren habe. Jedenfalls hat es den Anschein.« Er tätschelte sich spielerisch den Bauch. »Das liegt an jener Weste, die gefüttert ist mit Federn und feinkörnigem Sand. Im Theater werden ähnliche Stücke getragen, um dünne Bühnenakteure dicker zu machen. Sticht man auf denjenigen mit einer Waffe ein, der eine solche Weste trägt, dann muss die Klinge erst einmal Federn und Sand durchbohren. Selbst wenn sie dann noch den Körper erwischt, hat sie viel von ihrer Wucht verloren – und sie wird nicht mehr ganz so tief eindringen.«
    »Dennoch hat er«, bemerkte Alwine, »eine ordentlich Verletzung davongetragen. Jetzt untertreibt er lediglich. Sein Leben hing an einem seidenen Faden.«
    Grüblerisch bestätigte er ihre Worte: »In der Tat, mein Schicksal hing an einem Faden. Das Blut strömte warm über meinen Rücken, und ich dachte, die Weste hätte letzten Endes doch nichts genutzt. Der Übeltäter hielt mich offenbar für tot, er hatte ja auch seinen Degen kraftvoll eingesetzt, und normalerweise reicht das für einen Todesstoß. Er packte mich und warf mich in einen Gewerbekanal. Abgestochen und ersoffen!, war mein erster Gedanke. Gleich zweifach musst du zur Hölle fahren.« Er schmunzelte belustigt, als erzähle er eine Anekdote. »Der Kanal war, trotz vieler Tage ohne Regen, ordentlich gefüllt mit einer recht abstoßenden Brühe und ich ging unter wie ein Stein. Es gelang mir, Wams und Schutzweste abzustreifen, und plötzlich konnte ich wieder nach Luft schnappen. Dunkelheit verbarg mich vor den Augen meines vermeintlichen Mörders, auch ein Gestrüpp, in dem sich meine Finger festkrallten. Ich hörte seine Schritte, die sich entfernten, und atmete auf. Dennoch wäre ich da nicht mehr lebend herausgekommen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Mir fehlte es an Kraft, mich aus dem Wasser zu ziehen. Allein dessen Gestank könnte Menschen umbringen, schätze ich. Sehen Sie, im Grunde bin ich viel zu alt, um mich mit pitschnasser Hose und einem Sack voll Angst über Wasser zu halten.«
    »Dennoch blieben Sie am Leben.«
    »Erneut hörte ich Schritte. Er kommt zurück!, dachte ich. Doch über dem Kanal erschien ein anderes Gesicht.«
    »Alwines Gesicht«, vermutete Bernina.
    »Meine Arme wurden langsam taub, und mir war klar, dass ich mich nicht mehr lange festhalten konnte. Ich starrte in Alwines Augen und dachte, dieses boshafte Weib wird jetzt vollenden, was der Unbekannte angefangen hat. Doch zu meiner grenzenlosen Verblüffung packte sie meine Hände, um mich unter Aufbietung all ihrer Kräfte aus der Brühe herauszuziehen. Nass wie ein neugeborener Hundewelpe lag ich auf der Straße.« Ironisch sang sich Mentiris Stimme durch den Bericht. »Zuerst hatte ich die Absicht, zurück zu meinem Haus zu gehen, selbstverständlich um herauszufinden, was aus Ihnen geworden ist, verehrte Bernina. Auf der anderen Seite bestand natürlich die Möglichkeit, dass mein geschätzter Möchtegernmörder dorthin zurückgekehrt war, damit er seinem Kumpan beistehen konnte.«
    »Die Mühe hat er sich nicht gemacht«, warf Norby ein. »Er ließ sich nicht mehr blicken. Dabei hätte sein Freund Unterstützung brauchen können – er starb nämlich in jener Nacht. Aber das war Ihrem Verfolger wohl vollkommen egal.«
    »Was in derartigen Kreisen keineswegs verwunderlich ist. Ich nehme an, nachdem der Auftrag scheinbar erfüllt war, hat sich der Kerl rasch davongemacht. Vielleicht zu einem Treffpunkt, an dem er sich mit dem anderen verabredet hatte. Und als der nicht auftauchte, ahnte er, dass sein Kumpan nicht mehr lebte. Im Übrigen nicht schlecht für ihn, musste er so den Mordlohn nicht teilen.« Mentiri winkte ab. »Doch beschäftigen wir uns nicht unnötig lange mit diesem niederträchtigen Gesindel. Ich war ja gerade dabei, Ihnen zu erzählen, wie es mit mir weiterging. Reichlich erschöpft war ich, zudem schwer verletzt, der Weg zur Wohnung wäre zu weit gewesen für mich. Alwine half mir auf, und zu zweit kämpften wir uns zu einem Haus, in dem Alwine Unterschlupf gefunden hatte, einem Haus von keinem guten Ruf, aber das war mir egal, solange ich noch halbwegs am Leben war.«
    »Ein überraschender Sinneswandel«, merkte Bernina zweifelnd an. »Ich meine, was Alwine betrifft.«
    »Ja, durchaus«, entgegnete

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