Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
erwähnt, ebenso wenig seine Bitte, die Bücher oder Alwine, die sich in der Not auf Mentiris Seite geschlagen hatte. Bernina wollte nicht darüber reden und sie zwang sich sogar dazu, nicht einmal darüber nachzudenken. Der Rest des Tages schleppte sich dahin, langsam, der Abend schlich heran, und sie aßen gemeinsam. Manchmal warf Nils einen prüfenden Blick in Berninas Richtung, doch er hielt sich mit Worten genauso zurück wie sie.
Am nächsten Morgen brach Nils auf, zu Pferde, hin zum Lottinger-Hof, wie es mit Hermann abgesprochen worden war. Bernina hatte zugesagt, später auf dem zweiten Pferd nachzukommen. Als Erstes wollte sie aber auf dem eigenen Hof anfallende Arbeiten erledigen.
Kurze Zeit, nachdem Nils losgeritten war, ertönte neuerliches Hufgetrappel, jetzt von mehreren Tieren. Bernina sah auf. Sie trat vor das Haus. Drei Reiter näherten sich, zwei auf Pferden, einer auf einem Esel. Der vorderste der Männer war Nils, die beiden anderen Hermann Lottinger und Ferdinand, der Knecht des Fluck-Hofes, der Hermann ebenfalls Hilfe bei der Feldarbeit zugesagt hatte.
Einige Meter vor Bernina brachte Nils seine Stute zum Stehen. Er sprang aus dem Sattel und sah sie an, mit einem schalkhaften Blitzen in den Augen.
»Ist etwas vorgefallen?«, fragte sie.
»Nein, eigentlich nicht.«
Hermann und Ferdinand saßen nicht ab.
»Was machst du dann hier? Ihr alle? Ich wollte doch zu euch kommen.«
»Ich habe Hermann erzählt, ich könne ihm heute nicht helfen.«
Verständnislosigkeit machte sich auf Berninas Zügen breit. »Wie bitte, was hast du … ?«
»Ich sagte ihm, etwas Unvorhergesehenes wäre dazwischen gekommen. Aber in ein paar Tagen stünde ich zur Verfügung. Ich meine natürlich, wir.«
Sie runzelte die Stirn. »Nils, ich verstehe noch immer nicht … «
»Dann sagte Hermann, er wolle sich revanchieren. Dafür, dass wir es waren, die die Bürgerwehr gegen die Söldner angeführt haben. Du und ich, wir hätten etwas gut bei den Teichdorfern. Und er ließ sich einfach nicht davon abbringen, uns zu helfen. Und für Ferdinand gilt das Gleiche.«
Die Männer nickten Bernina bekräftigend zu.
»Uns zu helfen? Wobei helfen, um Himmels willen?«
Nils zeigte ein schmales, freches Grinsen. »Das weißt du so gut wie ich.«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Ich kenne dich, Bernina.«
»Nils, wovon sprichst du?«
»Lass uns aufbrechen.«
»Wohin?«
»Selbstverständlich zu diesem verrückten Kerl.«
»Mentiri?« Bernina fiel aus allen Wolken. »Ich habe kein einziges Wort mehr über ihn verloren.«
»Eben deshalb.« Er nickte gelassen. »Die Sache lässt dir keine Ruhe. Du kannst versuchen, es zu verbergen, du kannst versuchen, es zu verdrängen. In Wahrheit allerdings juckt es dich unter deiner Haut. Du hast einen verdammten Dickschädel, Bernina. Und wenn da eine Angelegenheit drin ist, muss sie erledigt werden. Wie auch immer: Du bist in diese Sache hineingeraten und steckst nach wie vor drin. Und ich weiß, dass du in Zukunft unentwegt darüber nachgrübeln und dich ärgern würdest, das Ganze im Sande verlaufen lassen zu haben.«
»Ich bin sprachlos.« Bernina blähte die Wangen auf. »Du willst nicht wirklich … «
Zum dritten Mal unterbrach er sie: » Ich will nicht. Du willst. Ich sage dir doch, dass du einen Dickschädel hast. Schließlich kann ich das beurteilen, ich habe ja selbst einen. Und nun komm, lass uns keine Zeit mehr verschwenden.«
Sie wusste, dass er recht hatte. Und sie brachte keinen Ton über die Lippen.
»Ich mache das zweite Pferd für dich bereit. Wenn es steiler wird, müssen wir hin und wieder absteigen, trotzdem sind wir dank der Tiere um einiges schneller als gestern.«
»Das hast du beschlossen?«
»Ich sage dir: Das hast du beschlossen. Das ist allein deine Entscheidung. Ich habe nur die Ehre, sie auszusprechen.«
Zu viert ritten sie los, unter tief hängendem Himmel, der ebenso unfreundlich war wie zuletzt. Bernina lauschte dem Rhythmus des Hufschlages, fühlte die Kraft des Pferdes unter sich. Und innerlich musste sie lächeln. Über ihren Mann. Darüber, wie gut er sie kannte, wie nahe er ihr war.
Nils behielt recht. Sie kamen schneller voran, trotz der Tatsache, dass sie nicht jedes Wegstück auf dem Rücken der Tiere zurücklegen konnten. Es war gegen Mittag, als sie das Unterholz erreichten, das sie am Vortag verschluckt hatte. Sie stiegen ab, ließen Ferdinand als Wache bei den Pferden und dem Esel zurück und überwanden die letzten Meter zu
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