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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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später, als sein Kopf wieder klarer wurde, schämte er sich für das, was er getan hatte. Sein Verhalten empfand er bloß noch als seiner unwürdig. Die Ehe mit seiner Frau blieb kinderlos. Irgendwann starb sie. Sofort heiratete er erneut. Übrigens seine eigene Nichte, natürlich wiederum eine Angehörige des Hochadels, diesmal des österreichischen. Und rasch gebar sie ihm einen Sohn, bald darauf einen zweiten.«
    Vereinzelte Tropfen fielen aus dem grau und schwarz gefleckten Himmel. Noch dunkler war es geworden. Ein Windhauch spielte mit Berninas Haaren, über die sie eine Decke zog.
    »Heute ist er«, fuhr Mentiri fort, »über den Herzogtitel längst hinausgewachsen, mächtiger und einflussreicher als je zuvor. Aber glücklich? Ich bin mir sicher, dass er in all den Jahren, die kamen, immer und immer wieder an diese eine Frau zurückgedacht hat.«
    »Was ist aus ihr geworden?«
    »Er hat es nie erfahren. Und das muss an ihm nagen. Zu gern wüsste er, wie es ihr ergangen sein, was sie erlebt haben mag.« Betont setzt er hinzu: »Er würde sehr viel darum geben, mehr über sie zu wissen.«
    »Wer ist dieser ehemalige Herzog?«
    »Wir sind gerade auf dem Weg zu ihm. Hm. Das heißt, falls wir es dorthin schaffen. Und falls er selbst wirklich kommen wird.«
    Bernina suchte im Zwielicht seinen Blick. »Und wer ist die Frau? Warum erzählen Sie mir von ihr?«
    »Sie wissen doch: Ich liebe Geschichten. Ich kann gar nicht genug davon bekommen.«
    »Wie heißt diese Frau? Und wie lautet der Name des Offiziers, dessen Laufbahn zerstört wurde?«
    Ein jähes Geräusch ließ Bernina zusammenfahren. Schritte. Schnaufen. Hermann Lottinger stand plötzlich dicht neben ihnen. In seiner Hand lag ein Degen, der noch von dem Gefecht mit den Söldnern stammte.
    »Da ist irgendwer!«, flüsterte er gepresst.
    »Nils?«, entfuhr es Bernina. Ruckartig stand sie auf.
    »Ich weiß nicht.«
    »Wo ist Ferdinand?«, wollte Mentiri wissen, der auf der Erde sitzen blieb.
    »Bei den Tieren.« Hermann Lottinger sah sich um. »Da ist irgendwer!«, wiederholte er. Unvermittelt lief er los, den Degen heftig durch die Luft schwingend, wie um sich selbst Mut zu machen.
    »He, du!«, hörten Bernina und Mentiri ihn brüllen. »Fort von dem Wagen mit dir!« Im nächsten Moment war bloß noch das Trommeln seiner Sohlen zu hören, dann nichts mehr.
    Bernina und Mentiri wechselten einen sorgenvollen Blick.
    Einige Zeit verstrich, schließlich zeichnete sich Lottingers breite Gestalt in der Dunkelheit ab. »Da war einer«, erklärte er nervös, durch das Laufen noch um Atem ringend. »Irgendein Kerl, der sich an den zweiten Wagen herangeschlichen hat. Leider ist er mir entwischt.«
    »Du hast ihn nicht erkennen können?«, fragte Bernina, obwohl sie die Antwort ahnte.
    Er schüttelte den Kopf. »Weder sein Gesicht noch irgendetwas von seiner Kleidung. Es war Glück, dass er mir überhaupt aufgefallen ist.«
    Von da an warteten sie noch angespannter als zuvor. Bernina verlor jegliches Gefühl für die Zeit. Irgendwann tauchte Lottinger wieder neben ihr auf, abermals ziemlich aufgeregt, und sie schreckte hoch.
    »Verdammt noch mal«, entfuhr es ihm. »Da ist doch schon wieder einer.«
    Zu dritt standen sie nebeneinander, Bernina, Lottinger und Mentiri, während Ferdinand weiterhin mit eiserner Geduld die Pferde bewachte.
    Alwine, die einige Meter entfernt die ganze Zeit über wie ein Stein geschlafen hatte, war durch Lottingers Stimme aufgewacht. Jetzt eilte sie zu ihnen herüber, den Blick verwirrt in den Wald gerichtet.
    Sie hörten ein Rascheln, das aus den Sträuchern zu ihnen drang.
    Jemand wand sich zwischen Blattwerk und Zweigen hindurch. Jemand bewegte sich genau auf sie zu.
     
    *
     
    Fledermäuse wurden aufgescheucht. Mit lautlosem Flügelschlag schwirrten sie über den Wipfeln der Bäume. Die Sicht verschlechterte sich fast mit jeder Sekunde. Das beständige Flüstern des Waldes, leise und eindringlich.
    Trotz der einfallenden Dunkelheit – das war die Gelegenheit.
    Eine Gelegenheit, die nicht verschenkt werden durfte. Auch wenn die Voraussetzungen alles andere als günstig waren.
    Nils Norby war darauf bedacht, kaum ein Geräusch zu verursachen und dennoch rasch voranzukommen. Gebückt ging er, den Degen in der einen, den Zügel in der anderen Hand. Er hatte absteigen müssen, so war es leichter, die Spur nicht aus den Augen zu verlieren; die nassen tiefen Fußabdrücke in der weichen Erde des Waldes. Das Unterholz wurde dichter, er wich

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