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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Hengst auf, erschrocken, ein schrilles Wiehern. Doch Norby hatte ihn sofort wieder in der Gewalt und brachte ihn zum Stehen. Er stieg ab. Eine tote Stute, den Sattel noch auf dem Rücken, lag vor ihm. Gras, Löwenzahn und Unkraut waren platt gedrückt. Offenbar war es zu einem Sturz gekommen. Er sah, dass das Vorderbein des Tieres gebrochen war. Anschließend hatte man kurzen Prozess gemacht und es von seinem Leiden erlöst – die Kehle war durchschnitten, ein See aus Blut, fast vollständig getrocknet.
    Spuren von zwei Pferden führten weiter, in dieselbe Richtung wie bisher. Er überprüfte, ob die Hufe eines der beiden tiefere Spuren im Boden hinterlassen hatten als zuvor. Wenn der dritte Mann weiterhin mitgeritten wäre, hätte das der Fall sein müssen. Doch dem war nicht so. Keinerlei Unterschiede bei den Abdrücken.
    Demzufolge war einer der drei nicht mehr mit von der Partie. Sie hatten es eilig, überlegte Norby, keines der Pferde sollte durch zusätzliches Gewicht geschwächt werden. Also musste sich der Kerl auf dem Rückweg nach Ippenheim befinden, um dort ein neues Reittier aufzutreiben.
    Oder er war …
    Hastig warf Norby sich in die Sträucher, ein Schuss löste sich donnernd, im Liegen sah er den Schemen des Mannes, der sich auf ihn zubewegte, die Pistole wegsteckend. Ein neuerliches Laden hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen. Stattdessen zog der Fremde rasch einen Degen aus der Scheide.
    Norby federte in die Höhe, die eigene Pistole in der Hand – in der linken, weil der rechte Arm nur langsam und unter Schmerzen zu bewegen war. Er schoss, der dunkel gekleidete Mann schien getroffen – nein, lediglich sein langer Mantel hatte etwas abbekommen. Norby warf die Pistole ins Gras. Mit dem Degen stürmte er auf den anderen zu. Die Klingen trafen aufeinander, ein lautes klirrendes Geräusch, das den Wald zum Erzittern brachte.
    Norby agierte ungeschickt. Den Degen mit links zu führen, war ungewohnt, seine sonstige Zuversicht wollte sich nicht einstellen. Und er war langsamer als sein Widersacher, die Geschmeidigkeit fehlte, die gegnerische Waffenspitze zerriss seinen Ärmelstoff. Der andere gewann mehr und mehr die Oberhand. Norby blieb nichts anderes übrig, als alles zu wagen, alles auf eine Karte zu setzen. Einen Wimpernschlag lang ließ er seine rechte Seite ungeschützt, den Arm gestreckt. Erneut traf ihn der fremde Degen, jetzt auch sein Fleisch, doch im selben Sekundenbruchteil spürte Norby, wie seine eigene Waffe auf Widerstand stieß – und geräuschlos ins Ziel drang, tief, immer tiefer.
    Ein unterdrückter Schrei, ein Gurgeln.
    Der Fremde sank auf die Erde, der große Hut rutschte vom Kopf und offenbarte ein unscheinbares Gesicht mit gezwirbeltem Schnurrbart und stechenden Augen. Die Nase war klumpig und leuchtend rot – wahrscheinlich von Norbys Fausthieb vor dem Petersthal-Hof. Noch ein leises Gurgeln.
    Norby kniete sich neben den Mann, den Degen weiter einsatzbereit in der Hand. Er hatte ihn in die Brust getroffen, während er selbst diesmal nur einen Kratzer davongetragen hatte, der kaum blutete.
    »Ich sterbe«, keuchte der Mann.
    »Sieht ganz danach aus«, meinte Norby ruhig.
    »Mein Leben lang habe ich jeden verdammten Auftrag erfüllt.« Ein verzerrtes Grinsen, in dem sich Schmerz und das Wissen um den Tod widerspiegelten. »Diesen offenbar nicht.«
    »Es gibt ja noch deine beiden Gefährten.«
    »Ja, sie werden es schaffen. Da mache ich mir keine Sorgen. Nur – ich wäre gern dabei gewesen.«
    »Was ist euer Auftrag?«
    Abermals das Grinsen. »Einen Geist zu fangen. Einen Geist, der uns immer wieder durch die Lappen geht. In deiner Gegend waren wir ihm endlich einmal nahe, doch er ist uns ein weiteres Mal entkommen. Ja. Ein Geist. Aber irgendwann wird der Tag kommen – der Tag, der sein letzter ist.«
    »Hat der Geist einen Namen?«
    »Einen? Viele.«
    »Nenn sie mir.«
    »Ich bin müde.« Der Mann spuckte Blut. »Auf den Tod zu warten, macht verdammt müde.«
    »Wer bist du? Wer sind deine Begleiter?«
    »Wir sind Namenlose. Männer ohne Herkunft, ohne Geschichte. Männer, wie sie allein ein langer, erbarmungsloser Krieg hervorbringen kann.«
    Norby musterte ihn – dem Kerl blieben nicht mehr viele Atemzüge. »Und jetzt sind deine Freunde auf dem Weg nach Freiburg?«
    »Dieser Geist hält sich offenbar immer mal wieder in Freiburg auf. Aber wir haben sein Versteck nie entdeckt. Er ist unsichtbar. Wir wunderten uns darüber, was er so tief im Schwarzwald wollte, was er

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