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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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hier gesucht hat.« Wieder das traurig verzerrte Grinsen eines Menschen, der am Ende angelangt ist.
    »Wer ist der Geist?«
    »Finde es doch selbst heraus.« Seine Wangen waren totenbleich. »Ich bin hundemüde.«
    Norby betrachtete die Finger des Mannes – kein golden schimmernder Ring.
    »Wer ist euer Auftraggeber?«
    »Der Teufel höchstpersönlich.« Der Fremde schloss die Lider. »Und nun wird sich der Teufel … «, die Lippen zitterten vor Anstrengung, »Freiburg einverleiben.«
    »Warum?«, fragte Norby rasch.
    »Damit sein Werk … weiter und immer weitergeht. Damit … neues Blut fließt.« Ein tiefes Stöhnen.
    »Der Teufel marschiert also nach Freiburg?«
    »Ha!« Ein Husten, ein weiteres Keuchen. »Das ist es, was die Leute denken.« Die Stimme wurde immer leiser. »Dabei marschiert der Teufel nicht mehr … längst da … der Teufel. Nur noch einen Steinwurf entfernt … von Freiburg. Hat begonnen, einen Todesring zu ziehen … Todesring um Freiburg.« Der Mann riss die Augen auf, er starrte in den Himmel, als hätte er ihn nie zuvor gesehen, dann senkten sich die Lider herab. Er stieß Luft aus, zum letzten Mal.
     
    *
     
    Zuerst hatte sie in diesem wilden Durcheinander aus Todeskampf und Schmerzen gedacht, es seien Fische, die an ihren Handgelenken nagten. Merkwürdige Fische allerdings, Forellen mit äußerst scharfen Zähnen. Dann glaubte sie, es handele sich um Wesen aus der Hölle, die nach ihr schnappten? Wesen, vor denen ihre Mutter sie einst gewarnt hatte. Dämonen, Bestien, Untote.
    Plötzlich waren ihre Hände und Arme frei beweglich gewesen – ein unfassbar herrliches Gefühl, das Wasser zu teilen, sich gegen seine Massen wehren zu können, nach oben zu gelangen, dorthin, wo es Luft, wo es Rettung gab, wo die Sonne die ersten Strahlen des Tages aufs Land herabschickte.
    Sie tauchte auf, füllte ihre Lungen, ihren ganzen Körper mit Leben.
    Und schon arbeitete ihr Verstand wieder, sie war nicht mehr nur ein zuckendes Bündel. Entschlossen tauchte sie unter, bis sie Baldus sah, der hilflos dem Grund entgegentrieb. Sie erreichte ihn. Sie erreichte ihn, krallte sich in den Stoff, der ihn umhüllte, und mit verzweifelter, alles in sich sammelnder Kraft gelang es ihr, den Körper des Gnoms nach oben zu ziehen. Oben angekommen holte auch er tief Luft und spuckte dabei Reste von Stoffstreifen aus – Berninas Fesseln, die er aufgekaut hatte. Mit einem wilden Ausdruck in den Augen suchte er die Sonne, glücklich, erlöst, der Umklammerung des Todes entronnen zu sein, während Bernina sich daran machte, die Fesseln zu lösen, die seine Handgelenke aneinanderpressten.
    »Ich habe schon auf dem Weg hierher den Stoff pausenlos an meinem Gürtel gerieben«, meinte Baldus jetzt mit einem tiefen Schnaufen. »Ohne dass es etwas genützt hätte.« Er ließ sich am Flussufer auf die Erde plumpsen. »Im Wasser schaffte ich es irgendwie, den Knebel abzustreifen. Mit der Schulter. Zum ersten Mal war es gut, dass ich komisch verwachsene Schultern habe. Dann habe ich mich an Ihnen festgebissen.« Er lachte auf. »Nun ja, sagen wir lieber, an Ihren Fesseln. Vor allem, wenn wir Herrn Norby davon berichten.«
    Bernina setzte sich neben ihn. »Er wird sich etwas Besonderes einfallen lassen, um dich für deine Tat zu belohnen.«
    »Wir beide sind am Leben. Das ist Lohn genug.« Er legte sich auf den Rücken und streckte alle viere von sich. »Lieber Gott, wir haben schon an die Himmelspforte geklopft.«
    Erst jetzt war er da, der neue Morgen, er kam in blassrosafarbenen Lichtadern über die in einiger Entfernung aufragenden Gebäude gekrochen. Knorrige Rauchsäulen stiegen aus deren Mitte empor, um das frische, noch schwache Licht auseinanderzuzupfen.
    Eine Weile ruhten sie sich aus. Sie ließen die Kleider von der Morgensonne trocknen und versuchten, das Erlebte zu verdauen. Die Ruhe ringsum wirkte nicht mehr bedrohlich. Vögel zwitscherten. Beinahe harmlos plätscherte der Fluss, zuvor noch ein Tod bringendes Wesen.
    Als sie genügend Kräfte gesammelt hatten, machten sie sich auf den Weg zurück in die Stadt. Zahlreiche Neuankömmlinge, vor allem einfache Leute, Bauern, Gesinde, drängten sich durch die Tore nach Freiburg. Bernina und Baldus schlossen sich dem Menschenstrom an, gaben sich schweigsam und unauffällig und wurden von den Wachmännern kaum eines Blickes gewürdigt. Die Besatzer aus Frankreich und Schweden schienen nicht übertrieben aufmerksam zu sein – trotz der Gerüchte über nahende

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