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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Schrecken.
    Heute war ein weiterer Markttag, der letzte. In den Straßen der Stadt, die Bernina und Baldus fast den Tod beschert hätte, herrschte quirliges Treiben. Doch ausgerechnet die albtraumartige Erfahrung der zurückliegenden Nacht war es, die auf merkwürdige Weise Berninas Lebensgeister erweckt hatte. Die Tiefe des Flusses hatte etwas in ihr verändert, sie fühlte es ebenso deutlich wie die Sonnenstrahlen auf ihrem langen Haar.
    Es wurde ohnehin höchste Zeit für sie, wieder aufmerksamer durchs Leben zu gehen, es anzunehmen – und sich nicht mehr der dumpfen Trauer hinzugeben, der Flucht in ein Reich, das allein in ihrem Kopf existierte. Und da war diese Ungewissheit, die an ihr nagte. Wie hatte sie es noch im Grünen Horn in Gedanken ausgedrückt? Ja, der verworrene Faden. Irgendetwas hielt die scheinbar willkürlichen Ereignisse der letzten Tage zusammen, verband sie mit unsichtbarem Zwirn.
    Bernina fand rasch den Weg, den sie suchte, ließ sich erst von der Menge treiben, um schließlich in die Seitengassen abzutauchen, in denen es keinen Trubel gab.
    »Sie wollen doch nicht etwa zurück?«, hörte sie die verblüffte Stimme ihres kleinen flinken Schattens. »Zurück zu diesem Haus? Warum zeigen wir das Verbrechen nicht an? Wir hätten schon den Torposten etwas sagen können und uns von ihnen … «
    »Keine Sorge«, unterbrach Bernina den Knecht. »Das werden wir auch tun, selbstverständlich hast du recht. Aber ich möchte mir erst ein Bild machen.«
    »Ein Bild?« Baldus prustete. »Also, ich finde, von dem Haus haben wir mehr als genug gesehen.«
    Ihr wurde klar, dass sie es nicht einmal sich selbst richtig erklären konnte. Doch ihr Gespür zog sie unweigerlich dorthin – das Haus schien der einzige Ort zu sein, an dem ein loses Ende des Fadens aufgenommen werden konnte.
    Bei Tageslicht wirkte das kleine Viertel weniger unheimlich, die Schäbigkeit allerdings war nicht von der Hand zu weisen. Und da lag es auch schon vor ihnen, das Fachwerkgebäude, ausnehmend friedvoll. In dem offenen Zugang zu einem benachbarten Hinterhof suchten sie Schutz.
    Die vielen Bücher in dem Zimmer, dachte Bernina, sie passten einfach nicht in diese Umgebung.
    »Lassen Sie uns lieber die Obrigkeit oder die Soldaten an den Toren einschalten«, riet Baldus erneut.
    Ohne ihn anzusehen, nickte Bernina kaum merklich. »Zu gern hätte ich das eine oder andere Wort mit dem Besitzer dieses Anwesens gewechselt. Aber wer weiß – womöglich ergibt sich später noch die Gelegenheit.«
    Sie schoben sich aus dem Hofzugang, betraten die Gasse und hielten mitten in der Bewegung inne.
    »Schon ist die Gelegenheit da«, bemerkte ein Mann, der sich ihnen völlig unbemerkt genähert hatte, mit aufreizend gelassener Stimme. Waren sie ihm bereits auf dem Weg hierher aufgefallen? Hatte er sie durch die Gassen verfolgt?
    Bernina sah ihm geradewegs ins Gesicht. Trotz der angenehmen Wärme trug er den dunkelbraunen Umhang, den er schon im Grünen Horn umgelegt hatte. Die teuren Schuhe mit den Schnallen, der Hut, das gepflegte silbergraue Haar. Es war derselbe Mann und erneut spürte Bernina diese Vertrautheit.
    »Sie haben Schneid«, meinte er nun mit einem huldvollen Nicken. »Einfach hierher zurückzukehren.« Er begutachtete ihr Kleid, das verschmutzt und vom Trocknen am Körper zerknittert war. In seinen Augen funkelte es. »Was hat Fronwieser mit Ihnen und Ihrem Begleiter angestellt?« Er zog anscheinend die richtigen Schlüsse.
    Bernina zeigte ein Lächeln. Sie verspürte keinerlei Furcht, und das gab ihr Auftrieb. »Fronwieser war nicht allzu liebenswürdig, um es einmal so zu umschreiben.«
    »Er hatte den Auftrag, Sie zurückzubringen und Ihnen kein Haar zu krümmen.«
    »Der Mistkerl wollte uns umbringen!«, entfuhr es Baldus empört und sofort war ihm sein Dazwischenreden peinlich.
    »Entweder Sie haben sich ihm gegenüber undeutlich ausgedrückt«, bemerkte Bernina, »oder Sie schätzen Ihren Freund falsch ein.«
    »Mein Freund ist er gewiss nicht – nur gelegentlich eine nützliche Hand.« Ein schelmisches Lächeln umspielte plötzlich seine Mundwinkel. »Gönnen wir diesem Schlitzohr nicht zu viel unserer wertvollen Aufmerksamkeit. Zu gegebener Zeit werde ich mich um ihn kümmern. Möchten Sie noch einmal mein Gast sein? Ich verspreche Ihnen, ein weitaus angemessenerer Gastgeber zu sein. Das Missverständnis von vergangener Nacht bitte ich untertänigst zu entschuldigen.« Er verbeugte sich. Genau wie Mentiri am

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