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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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sitzen und nichts zu tun, zerrt ziemlich an Ihren Nerven.«
    Bernina entgegnete nichts.
    »Ich kenne natürlich nicht die Hintergründe, aber ich weiß genau, was Sie möchten.«
    »Ach?«
    »Sie wollen in dieses Haus zurück.«
    Nun musste sie auflachen. »Das will ich?«
    »Ich meine ja nur … « Er hob die Schultern und erneut kam sein Lächeln zum Vorschein. »Noch wird offenbar ausschließlich außerhalb der Stadt gekämpft.«
    Bernina musterte ihn. »Nils könnte in der Zwischenzeit auftauchen. Meine Hoffnung ist nicht groß. Womöglich gelangt er gar nicht bis in die Stadt. Aber er hat angekündigt, dass er mich unter allen Umständen abholen will. Und wie ich ihn und seinen Dickkopf kenne, wird er nichts unversucht lassen.«
    »Zur Sicherheit«, schlug Baldus vor, »könnten wir beim Wirt eine Nachricht hinterlegen.«
    »Sollen wir es wagen?«
    Flink sprang er auf. »Das haben Sie doch längst entschieden.«
    Bernina erhob sich ebenfalls. Ja, sie hatte sich längst entschieden.
    Wie zuvor hasteten sie durch ausgestorbene Straßen und Seitengassen, Bernina voran, der Knecht dichtauf. Der Schlachtenlärm wurde lauter, wälzte sich offenbar auf die Stadt zu. Ohne einem einzigen Menschen zu begegnen, erreichten sie ihr Ziel.
    Das Fachwerkhaus schien wie ausgestorben zu sein. Wachsam schoben sie sich in die Hofeinfahrt, die ihnen schon einmal als Versteck gedient hatte. Sie behielten das Haus und dessen Umgebung unablässig im Blick. Weder von Mollenhauer noch Fronwiesers zurückgelassene Kumpane waren zu entdecken.
    In der Tat, wie ausgestorben.
    Auch die Gebäude der Nachbarschaft lagen wie verlassen vor Bernina und Baldus. Die Menschen darin hofften wohl – wie überall in der Stadt – , dass der Sturm an ihnen vorbeiziehen würde. Lähmende Grabesstille zwischen den Bauten, in unmittelbarer Nähe weiterhin das Wüten des Krieges, es war eine unheimliche Atmosphäre, die um sich griff.
    Bernina und der Knecht näherten sich dem Fachwerkhaus. Sie setzten ihre Schritte mit Bedacht, warteten ab, schauten sich um. Bernina lauschte an der Eingangstür. Nichts war zu hören. Die Sekunden verstrichen, sie war versucht, einfach umzukehren und zurück in ihre Unterkunft zu gehen.
    Baldus begann, vorsichtig an der Tür zu rütteln. »Von innen verriegelt«, murmelte er. »Allem Anschein nach ist von Mollenhauer ausgeflogen. Genauso wie seine Helfer.«
    Bernina nickte und wägte ab.
    »Aber gerade deshalb«, fuhr der Gnom fort, »würden Sie sich umso lieber hier umsehen, nicht wahr?« Er wartete die Antwort nicht ab, sondern eilte um die Hausecke herum. Als er wieder erschien, machte er eine vage Geste. »Der Hintereingang ist ebenfalls verriegelt. Doch da gibt es eine kleine Fensteröffnung, die nicht mit Glas, sondern mit einer Tierhaut versehen ist.« Er zeigte sein gewitztes Lächeln. »Wie gesagt, sie ist klein, zu klein für einen Menschen mit gewöhnlichem Körperbau. Für einen bestimmten Knecht jedoch … «
    Bernina strahlte. »Was würde ich bloß ohne dich tun, Baldus?«
    Sogleich half sie ihm, sich durch die äußerst enge Öffnung in der Rückwand zu zwängen, und vernahm wenig später das metallisch scharrende Geräusch, als der Riegel der Hintertür zurückgeschoben wurde.
    Das dunkle Haus umschloss sie sofort wie eine große Faust. Die tiefen Decken wirkten bedrückend. Erneut ging Bernina voran, Baldus hinterher. Fast unbewusst griff sie nach dem Messer mit der rostenden Klinge und dem kurzen Horngriff, das aus Lorentz’ Besitz stammte.
    Hier hatten sie die Mahlzeit eingenommen, und hier führte die Treppe nach oben. Unschlüssig verharrte Bernina im Gang. Nach was suchte sie eigentlich?, fragte sie sich stumm. Lediglich nach der Chronik? Oder doch nach mehr? Nach etwas, das nicht in Worte zu fassen war?
    »Wie wäre es, wenn wir uns einfach Raum für Raum vornehmen«, schlug Baldus vor.
    Bernina stimmte zu und sie begannen mit der Durchsuchung. Die Atmosphäre in dem Gebäude ließ Bernina hin und wieder einen Schauer über den Rücken laufen. Sie rief sich die düsteren Vorahnungen in Erinnerung, die sie kürzlich befallen hatten, und auch jetzt meinte sie zu fühlen, wie sich von Neuem etwas an sie heranschlich. Noch immer schien ihr etwas aufzulauern, noch immer konnte sie die Gefahr förmlich riechen. Es war nicht ausgestanden, sie wusste das, wusste das ganz sicher.
    Ihre Gedanken verloren sich, sie versuchte, sich auf den Moment zu konzentrieren, doch in den Zimmern schien es nichts zu geben,

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