Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
waren leer, sein Blick war müde.
»Was ist geschehen?«, fragte Bernina, während sie das Messer senkte, »seit sie uns zum zweiten Mal diesem abscheulichen Fronwieser überlassen haben? Trotz Ihrer gegenteiligen Beteuerungen.«
»Ich könnte gut verstehen, wenn Sie meine Entschuldigung deswegen nicht gelten ließen, Bernina. Dennoch bitte ich um Verzeihung.«
Sie erwiderte nichts, behielt ihn einfach nur aufmerksam im Auge.
»Sie im Stich zu lassen, war schlicht und einfach der Situation geschuldet. Und nun erweist sich alles als umsonst.« Er seufzte. »Diese kleinen elenden Feiglinge haben sich aus dem Staub gemacht.«
»Fronwiesers Freunde?«
»Ja, Bernina. Ihnen ist der Boden unter den Füßen zu heiß geworden, und ich kann das sogar nachvollziehen. Schlichte Gemüter.« Erneut ein Seufzer. »Und so ist mein schöner Plan in sich zusammengefallen.«
»Der Teppich war über der Falltür ausgebreitet. Wer hat das getan – Sie waren ja schon vor uns hier unten?«
»Oh, ich selbst war das.« Von Mollenhauer winkte ab. »Das geht ganz einfach. Wenn man auf einer der oberen Leitersprossen steht, kann man den Läufer über die Luke ziehen und sie schließen. Niemand weiß von diesem Ort, auch nicht Lorentz Fronwieser.« Er sah sie an. »Bestimmt haben Sie die Falltür nicht verschlossen? Das wäre mir lieber. Und auch, dass die Hintertür verriegelt wird.«
Er lief sofort los, um das zu erledigen, und kehrte rasch zu ihnen zurück.
»Übrigens, durch Fronwieser droht niemandem mehr Unheil«, sagte Bernina mit trockener Stimme.
»Ach?« Von Mollenhauer machte runde Augen. »Tot?«
»Er bekam einen heftigen Schlag auf den Kopf. Mein Eindruck war, dass es ein tödlicher Hieb war.«
»Erhielt er den von Ihnen?« Ein zuckendes Lächeln. »Wenn ich fragen darf.«
»Nein, von einer eifersüchtigen Frau.«
»Aha. Die Eifersucht. Eine nicht zu unterschätzende Quelle großen Unheils«, spöttelte von Mollenhauer.
»Was tun Sie überhaupt hier unten?«, ließ Bernina sich nicht ablenken.
»Ich ergehe mich in jämmerlichem Selbstmitleid, wie Sie sehen. Geschlagen fühle ich mich. Besiegt. Vom Krieg, diesem alten grollenden Ungeheuer. Ja, sowohl von den Umständen als auch von einem Mann, der schneller war als ich.« Er stand schwerfällig auf. Blinzelnd näherte er sich einem der Regale, geradezu vorsichtig, als wären es scheue Lebewesen, die vor Furcht auseinanderstieben könnten. Zärtlich strich er mit den Fingerkuppen über den einen oder anderen Buchrücken.
Neuerlicher Kanonendonner platzte in die unterirdische Ruhe und verhallte gleich darauf. »Einmal mehr schlagen sich die Narren die Köpfe ein«, bemerkte von Mollenhauer mit gesenktem Kopf.
»Was ist das für ein Plan, von dem Sie sprachen?«, wandte sich Bernina an ihn.
»Der bedeutendste und größte Plan, den es geben kann. Man könnte es einen Zaubertrick nennen.« Er schmunzelte in sich hinein. »Wie schafft man es, ein Wolfsrudel in eine Herde von Schafen zu verwandeln?«
»Worum geht es?«
»Darum, die Welt zu retten.«
»Sie meinen niemals etwas ernsthaft, oder?«
»Die Welt zu retten«, sagte er erneut. »Ernsthafteres kann es gar nicht geben.«
Bernina sah zu den Regalen. »Mit Büchern?«
»Es klingt wahnwitzig.« Von Mollenhauer lachte auf, traurig, spöttisch, vielleicht auch unsicher, von allem ein bisschen. »Aber ja, so ist es – mit Büchern.«
»Nun berichten Sie endlich«, drängte Bernina.
»Sie haben ja schon erkannt, dass ich beim Erzählen gern ein wenig aushole.«
»Und dass Sie vor allem einen Bogen um die Wahrheit machen.«
Wieder lachte er, diesmal belustigt. »Gestatten Sie mir, einmal mehr ausholen zu dürfen.« Mit der Fingerspitze deutete er in die Höhe. »Angesichts dieses gewaltigen Unwetters, um es mal so zu nennen, sitzen wir hier unten an einem Ort, der womöglich sicherer ist als viele andere.« Er schob Bernina den Hocker hin, Baldus den zweiten, von dem er das Talglicht nahm. Sein Gesicht wurde sogleich gespenstisch erhellt, als wären seine Wangen aus Papier. »Nehmen Sie beide Platz – ich bleibe stehen, hier neben diesen Werken. Schließlich sind Sie es, von denen ich erzählen möchte. Von Ihnen und einem Herrn, dessen Name Ihnen bereits geläufig ist.«
Bernina ließ das Messer zwischen Kleid und Unterkleid verschwinden. Dann setzte sie sich und Baldus tat es ihr gleich.
»Wen meinen Sie?«, fragte sie von Mollenhauer. »Ich nehme an, es geht um Jan Simons und die Ereignisse in
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