Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
Vom Netzwerk:
was ihr zu irgendeiner Erkenntnis verhelfen konnte.
    Nach was suchte sie eigentlich?, fragte sie sich erneut. Dachte man an von Mollenhauer, dachte man unweigerlich an etwas ganz Bestimmtes. Sie stieg die Treppe hinauf und schlüpfte in das Bücherzimmer, in dem sie bei ihrem ersten unfreiwilligen Besuch eingesperrt worden war. So viel hatte von Mollenhauer von Büchern erzählt, in diesem Raum jedoch hatte er sich kaum aufgehalten.
    Bernina las die Worte auf den Einbänden, aber keines schien einen Hinweis zu liefern. Ein kurzes Heben der Schultern, und sie verließ den Raum, um im Laboratorium zu verschwinden. Allmählich kam ihr dieses ziellose Herumstöbern völlig sinnlos vor. Nachdem sie wieder ins Erdgeschoss gegangen war, rief sie Baldus zu sich, der ebenfalls nichts Auffälliges entdeckt hatte. Nach kurzem Beratschlagen entschied Bernina, dass sie ins Gasthaus zurückkehren sollten.
    Schweigsam durchschritten sie über den Läufer den langen Gang, der zur Rückseite des Hauses führte. Bernina wollte gerade nach dem Türriegel greifen, als hinter ihr ein Poltern erklang. Erschrocken drehte sie sich herum – Baldus lag lachend auf dem Boden. Ein kurzer Augenblick unbeschwerter Heiterkeit nach Tagen großer Belastungen.
    Sie half ihm auf und der Knecht betrachtete forschend den Boden.
    »Eine Welle im Läufer«, meinte Bernina.
    »Falsch«, entschied Baldus. »Da ist irgendetwas.« Er packte den Teppich, der abgetreten und nicht so erlesen schien wie die übrige Einrichtung, mit einer Hand am Rand und zog ihn beiseite.
    »Sieh mal einer an«, meinte der Gnom leise.
    Sie wechselten einen Blick.
    Das entfernte Getöse der Schlacht verklang in diesem Moment, um sogleich wieder einzusetzen. Eine Falltür. Aus rohem Holz. Mit einem flachen Eisenring, um sie zu öffnen – das war es, worüber Baldus gestolpert war.
    Er beugte sich herab und wuchtete die Tür auf. Ein dunkles Loch, aus dem die Enden von Leiterholmen hervorstachen.
    Diesmal war es Baldus, der den Anfang machte. Hintereinander stiegen sie hinab, umfangen von einer Luft, die nicht so stickig war, wie man es hätte erwarten können. Bernina hielt das Messer wieder ganz bewusst fest, während sich ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengrube ausbreitete.
    Es herrschte keine vollkommene Finsternis. Sie gingen weiter. Ein Luftzug streifte sie – offenbar gab es eine Art Belüftungsschacht, der diese geheime kleine Welt mit dem Leben über der Erde verband. Deshalb war es wohl auch nicht richtig dunkel. Die Wände waren leicht feucht. Der Boden schien nicht völlig eben zu sein und war bedeckt mit grobem Sand. Hier und da eine nicht einsehbare Nische.
    Bernina fühlte eine dumpfe Kälte in sich aufsteigen, einen Moment lang wurde ihr schwarz vor Augen, dann überfiel sie die Erinnerung: Dieser Gang, dem sie folgten, er war wie eine Grotte, und sie hatte ihn schon einmal gesehen. Damals, in diesem wilden unerklärlichen Moment einer dunklen Vorahnung, damals auf dem Petersthal-Hof. Von Anfang an hatte alles zu diesem Ziel geführt, zu diesem Haus, zu diesem unterirdischen Gewölbe. Bernina hatte es vorhergesehen, jedoch hatte es nicht in ihrer Macht gestanden, dieser Falle zu entkommen. Im Gegenteil, sie war freiwillig hierher gekommen. War es ihr Schicksal, an diesem Ort zu sterben?
    Der Gang mündete in einen Raum, in dem sie auf das stießen, was ihnen bereits innerhalb des Hauses zahlreich begegnet war: Bücher. In ähnlichen Regalen wie oben, entweder aufgereiht stehend oder in Stapeln liegend, die meisten davon mit Ketten versehen, mit denen man versucht hatte, sie gegen Diebstahl zu sichern. Offensichtlich ohne Erfolg.
    Auf einem Hocker stand ein Talglicht, das Baldus entzündete. Flackernder Schein erhellte das Kellergewölbe.
    Bernina und Baldus fuhren zusammen.
    Sie waren keineswegs allein hier unten.
    Im Lichtschein saß eine zusammengesunkene Gestalt auf einem zweiten Hocker, in der äußersten Ecke des Raumes. Ein vertrautes Augenpaar starrte zu ihnen herüber.
    »Sie sind nicht nur couragiert, werte Dame«, ließ sich eine ebenso vertraute Stimme vernehmen, »sondern zudem überaus hartnäckig.«
    Es war von Mollenhauer.
    Bernina sah ihn an, sagte jedoch kein Wort.
    »Bitte verzeihen Sie«, fuhr er fort, »dass ich mich nicht erhebe. Aber mit meiner Höflichkeit ist es nicht mehr weithin. Wie mit dem Rest von mir.«
    Auch wenn sein Selbstmitleid aufgesetzt wirkte, machte er unzweifelhaft einen niedergeschlagenen Eindruck. Seine lebhaften Augen

Weitere Kostenlose Bücher