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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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nicht in diesem Augenblick, in dem es nichts gab, nichts außer ihnen beiden.
     
    *
     
    Beinahe um die gleiche Zeit folgte eine junge Frau dem wilden Verlauf der Gassen. Noch immer klammerte sie sich an diesen Hoffnungsschimmer, Lorentz Fronwieser könne einmal mehr seinen Kopf aus der Schlinge gezogen haben.
    Weiterhin das Krachen, das sie von ihrem Bett hatte aufspringen lassen, dieses Aufbrüllen des Krieges, nicht mehr nur jenseits der Stadtmauer, sondern ganz in der Nähe.
    In dem Haus hatte es Alwine jedenfalls nicht mehr ausgehalten, allein zu sein, war für sie unerträglich geworden. Deshalb wagte sie sich also noch einmal dorthin, wo sie hergekommen war, mit knapper Not einer weiteren grausigen Erfahrung in ihrem Leben entkommen. Es bestand zumindest die Möglichkeit, dass Lorentz ebenfalls in dieses Gebäude zurückkehren würde.
    Alwine wollte in jedem Fall die Augen offen halten, von einem verborgenen Plätzchen aus – das Fachwerkhaus von Mollenhauers von Neuem zu betreten, das würde sie nicht wagen.
    Schreie ließen sie innehalten, Schreie, die aus der nächsten Gasse drangen. Mit äußerster Vorsicht spähte sie um die Ecke eines Hauses. Das Bild, das sich ihr bot, war ein vertrautes – sie kannte es aus den Tagen früherer Gefechte. Dunkle Gestalten schafften Kisten, Stoffe und sogar Einrichtungsstücke aus einem Gebäudeeingang nach draußen und beluden damit altersschwache Handkarren. Weitere Schreie – von Frauen, die in der Wohnung bedrängt wurden, wie Alwine sofort erkannte. Kaum brach das große Durcheinander des Krieges aus, kamen die Ratten aus ihren Löchern: Plünderer. Widerliche Kerle, die nachts durch die Straßen zogen und wehrlose Familien in Angst und Schrecken versetzten, sie ausraubten und sich an Ehefrauen und Töchtern vergingen. Alwine zog sich zurück, weiterhin ganz vorsichtig. Solchen Kerlen in die Quere zu geraten, würde neuerliches Unheil bedeuten, und so wählte sie lieber einen Umweg.
    An der nächsten Kreuzung hatte sie freie Sicht auf einen Teil der Stadtmauer. Abermals musste Alwine stehen bleiben: Angreifer waren gerade im Begriff, die Mauer mithilfe von Leitern zu überwinden. Mit Macht drängten sie gegen die Verteidiger, Degenklingen trafen scheppernd aufeinander, eine Kanonenkugel brachte das Mauerwerk, scheinbar die ganze Welt, mit markerschütterndem Krachen zum Erzittern, Soldaten warfen Fackeln, Feuer brach aus und züngelte auf nahe gelegenen Dächern, Schüsse fielen, noch mehr Soldaten, die unter Kampfrufen miteinander rangen. Einer von ihnen wurde von einer Fackel im Gesicht erwischt, sein Kreischen klang entsetzlich. Er rannte auf die erstarrt dastehende Alwine zu, doch er nahm sie gar nicht wahr, sondern stürmte an ihr vorbei und bedeckte mit beiden Händen das Gesicht, in seinem langen, verwilderten Haarschopf loderten Flammen.
    Wiederum sah Alwine sich zu einem Umweg gezwungen. In einem möglichst weiten Bogen wollte sie die Kämpfe umgehen – was sich als nicht gerade einfach herausstellte. Überall schien die zuvor wie ausgestorbene Stadt auf einmal mit Leben erfüllt, mit schrecklichem Leben: Brände, Gewalt, angsterfülltes Schreien. Heftig Alwines Schnaufen, schnell ihre Schritte, die in der Gasse widerhallten. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus.
    Gleich würde sie am Ziel sein, nur noch wenige Ecken galt es zu umhuschen. Hier war es ruhiger, keine Soldaten, keine Plünderer, hier herrschte allein das Dunkel der Straße. Alwine hastete weiter, dicht neben einem stinkenden Gewerbekanal, der in ungefähr zwei Metern Tiefe verlief und hauptsächlich von Gerbern genutzt wurde. Ein kurzes Stück entfernt entschwand das Kanalwasser unter dem Mauerwerk. Rechts und links der trüben Brühe wuchs dorniges Gestrüpp.
    Ja, nur noch wenige Ecken. Alwine atmete durch – und hielt zum dritten Mal an, schlagartig, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.
    Nicht allein ihre eigenen Schritte sorgten für dumpfen Hall.
    Jemand rannte in ihre Richtung. Ein Soldat?
    Wie gelähmt war sie, doch nur für einen einzigen zähen Moment. Dann sprang sie zur Seite, hinter einen gemauerten, seit Langem ausgetrockneten Brunnen, in den gelegentlich tote Katzen geworfen wurden.
    Die Schritte wurden lauter.
    Auf den Knien im Schmutz spähte sie über den Brunnenrand hinweg. »Lass es Lorentz sein«, hörte sie sich wispern. In ihrer Furcht machte sie sich überhaupt nicht bewusst, dass nichts vom Klackern der Krücke zu hören war. »Wenn es

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