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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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etwas langsamer umrundete er den Bau, den einzigen in der Nähe, dessen Fenster verglast waren, aber ebenfalls von innen verrammelt. Die Hintertür jedoch stand offen. Jemand hatte sie aufgebrochen, wie die Holzsplitter und die schief verankerte Verriegelung zeigten. Er ging hinein.
    Seit er das Messer gezogen und der Frau an die Kehle gehalten hatte, ruhte es in seiner Hand. Die Schneide funkelte. Norbys Stirn war voller Schweiß, sein blondes Haar klebte daran. Das Tageslicht war noch zu schwach, um bis hierher vorzudringen.
    Vorsichtig schlich er vorwärts. Ein abgetretener Läufer lag im Gang und führte bis zu einer offen stehenden Luke, die ein pechschwarzes Viereck offenbarte. Davor blieb er stehen.
    Roch es nach Schießpulver?
    Norby bückte sich, starrte nach unten in das Kellerloch und bemerkte eine Leiter. Angespannt lauschte er. Nichts zu hören. Nicht das Geringste. Er beschloss, sich zuerst hier oben umzusehen. Bedächtig wie zuvor ging er weiter. Die Tür des ersten Raumes, dem er sich näherte, stand ebenfalls offen. Er versteckte sich hinter dem massiv gezimmerten Holz, die freie Hand auf der eisernen Klinke, und schaute hinein. Essensreste auf dem Tisch, Gusseisernes an den Wänden, in einer Ecke die Kaminöffnung voller kalter Asche. Ein Feuer war offenbar seit Tagen nicht mehr entfacht worden.
    Norbys Kopf ruckte hoch.
    Stimmen.
    In einem der anderen Zimmer. Männliche Stimmen, die miteinander sprachen, sehr leise und, wie es ihm vorkam, sehr unaufgeregt.
    Er durchquerte die Küche. An der Feuerstelle nahm er den Schürhaken an sich. Einst hatte er mit angesehen, wie sich einfache Leute mit solchen Eisen und Dreschflegeln bewaffnet hatten, um einer einfallenden Armeetruppe Widerstand zu leisten. Derartige Waffen konnten durchaus ihren Dienst leisten. Norby selbst hatte einen Schlag mit so einem Schürhaken abbekommen – er war ein Mitglied jener Armee gewesen.
    Langsam durchschritt er nun wieder den Gang. Die Stimmen verstummten.
    Hatten sie ihn gehört?
    Norby zögerte. Doch nur kurz. Er setzte den letzten Schritt. Und blickte in das von einer einzigen brennenden Kerze erhellte Zimmer.
    In der Mitte kniete ein Mann, dessen Augen verbunden waren. Norby kannte ihn nicht. Er war recht alt, grau das Haar, faltig Stirn und Wangen. Seine Hände waren nicht gefesselt, schlaff baumelten die Arme am Körper herab, sein Kopf war gesenkt. Schicksalsergeben wartete er auf seinen Tod.
    Links und rechts von ihm standen zwei Männer, mit dem Rücken zu Norby. Männer, denen er schon begegnet war. Es waren die Fremden mit den langen dunklen Mänteln – den dritten von ihnen hatte Norby eigenhändig umgebracht. Jetzt war er nicht einmal mehr verblüfft, ihnen zu begegnen. Ihn beschlich das Gefühl, dass sie sein Schicksal waren – dass er sie erst aus dem Wege räumen musste, um in sein altes Leben zurückzufinden.
    Vorsichtig trat er ein Stück näher, er befand sich nun innerhalb des Raumes, der mit eleganten Möbelstücken ausgestattet war. Keiner hatte ihn bemerkt.
    Einer der dunkel Gekleideten hob einen Degen empor, genau über dem Kopf des Alten.
    »Bringen wir’s endlich hinter uns«, meinte der andere mit leisem, unmissverständlichem Drängen. »Dieser Freund hier hat uns lange genug zum Narren gehalten.«
    Der Kopf des Alten sank noch ein Stück tiefer.
    Es war nicht so, dass Norby nachdachte und er bewusst eine Entscheidung traf, dass er auch nur einen Sekundenbruchteil abwog – dazu war keine Zeit. Er handelte instinktiv, er handelte pfeilschnell.
    Mit voller Wucht traf der Schürhaken den Mann mit dem erhobenen Degen im Rücken. Krachend landete er auf dem Fußboden. Er verlor seinen Hut, der Degen flog durch die Luft und landete hinter einem Sessel. Der zweite Mann jedoch reagierte sofort und versetzte Norby einen Tritt zwischen die Beine. Gleich darauf ein Hieb mit dem Degen, der ihm das Messer aus der Rechten schlug. In seiner Linken allerdings lag weiterhin der Schürhaken.
    Sie standen einander gegenüber.
    Langsam kam der andere Mann auf die Beine, noch mitgenommen von Norbys kräftigem Hieb. »Verdammt, der Kerl ist doch tot!«, zischte er ungläubig und zog eine Pistole aus dem Mantel.
    Warum schoss er nicht?, fragte sich Norby. War die Waffe etwa zuvor benutzt worden? War keine Zeit zum neuerlichen Laden geblieben? Daher wohl der Geruch von Pulver.
    Norbys Blick huschte zwischen ihnen hin und her, bereit für den Angriff von zwei Gegnern.
    Doch etwas anderes geschah. Der Alte hatte die

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