Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
Vom Netzwerk:
gelangten. Keine Zwischenfälle hatte es gegeben, allein das Heulen eines Wolfes, offensichtlich ganz in der Nähe, hatte für einen Moment des Erschreckens gesorgt.
    Man postierte Wachen rund um den Hof. Die Verletzten wurden der Reihe nach in der großen Wohnküche auf Decken gebettet. Schließlich wurde die Fackel gelöscht. Keine Gespräche mehr, kein Essen mehr. Nur noch Schlaf, Erholung für den Körper wie für den Geist. Die meisten machten es sich einfach auf dem Stroh in der Scheune bequem.
    Schon mit den ersten Sonnenstrahlen war Bernina wieder auf den Beinen. Sie stellte einen Aufguss aus Weißdorn und Eisenkraut her, der von innen für Heilung sorgen würde. Die dicke Paste aus Arnika und Schafsfett, ein altes Rezept ihrer verstorbenen Mutter, auf das sie so vertraute, kam großzügig zum Einsatz, ebenso wie ein Saft aus Blättern und Wurzeln des Hirtentäschelkrauts, mit dem behutsam alle Wunden betupft wurden.
    Baldus, dem tapferen kleinen Kerl, ging es besser – das behauptete er zumindest. Doch sein Gesicht war weiß wie ein Tuch. Der Degen war seitlich in ihn eingedrungen, etwa in Höhe des Bauchnabels. Bernina betrachtete die Verletzung, die nicht einmal groß war, mit einiger Sorge. Nachdem er am Morgen mit wackligen Beinen weggegangen war, um sich zu erleichtern, kehrte er noch bleicher zurück. Er legte sich wieder auf seine Schlafstelle in der Wohnküche. Bernina musste mehrmals nachfragen, ehe er zugab, dass sein Urin rot von Blut gewesen war. Sie kniete noch ein wenig an seiner Seite und schaute in sein Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen, die Haut seiner fleischigen Wangen war wächsern.
    Die Männer, die nicht oder nur leicht verletzt worden waren, versammelten sich vor dem Hauptgebäude des Hofes, um sich zu beratschlagen. Keiner verlor ein Wort darüber, dass Norbys Vorschlag, sich zur Wehr zu setzen, der richtige Weg gewesen war, keiner verlor ein Wort darüber, welcher der Männer sich am Vortag wie geschlagen hatte. Niemand brüstete sich, niemand machte einen Scherz. Auf betont sachliche Weise erwähnte man die, an die man gestern keinen einzigen Gedanken verschwendet hatte: Die toten Söldner, die noch unterhalb der grasbewachsenen Kuppe lagen. Es waren fünf. In Gedanken hatte sie jeder gezählt.
    »Wir müssen sie unter die Erde bringen«, lautete Lottingers Vorschlag.
    »Wir müssen in erster Linie an unsere Sicherheit denken«, meinte Nils Norby. »Warum wieder das offene Gelände suchen – und damit die Gefahr, irgendwelchen Halsabschneidern aufzufallen? Womöglich denselben wie gestern.«
    »Ob gewissenlose Söldner oder nicht – auch sie waren Menschen mit einer Seele.« Lottinger schüttelte den Kopf. »Wir sind Christen. Wir sollten sie nicht verfaulen lassen wie erschlagene Rattenviecher.«
    »Das sehe ich ähnlich«, ließ Schoferer sich vernehmen. »Vielleicht kann jemand nach Teichdorf reiten und den Pfarrer holen. Er ist bestimmt in seiner Kirche und versucht, das Unheil wegzubeten. Da kann er doch genauso gut eine Predigt für die armen Schweine sprechen.«
    Norby zuckte die Schultern, ein wenig abschätzig, wie es seine Art war. »Heute nennt ihr sie arme Schweine. Gestern jedoch … « Er ließ den Satz unvollendet.
    »Wir können abstimmen«, sagte Kuntzendorf.
    Eine deutliche Mehrheit war dafür, die Toten zu begraben.
    »Bist du dabei, Norby?«, wollte Kuntzendorf sofort wissen.
    »In der Armee gilt stets das Wort des Befehlshabers.« Er lächelte. »Und das ist nicht immer gut. Als es darauf ankam, waren wir eine Gemeinschaft. Damit haben wir unsere Gegner ziemlich überrascht. Niemals hätten die Kerle mit Widerstand gerechnet, schon gar nicht mit derart entschlossenem.«
    »Also, Norby«, meinte Kuntzendorf. »Bist du nun dabei?«
    Es ging nicht allein um das Beerdigen der Leichen, es ging um mehr, das spürten alle. Norby und die Teichdorfer – war jetzt der Zeitpunkt gekommen, endgültig aufeinander zuzugehen?
    »Um ehrlich zu sein, ich hätte selbst nicht damit gerechnet, dass solche Kämpferherzen in euren verdammten Bauernkörpern schlagen«, lachte Norby frech in die Runde. Er drehte kurz seinen Kopf und sah, dass Bernina am Fenster stand und zuhörte. »Wie gesagt, gestern waren wir eine Gemeinschaft. Klar, ich bin dabei.« Wieder sein Achselzucken. »Lasst uns die Hunde unter die Erde bringen.«
    Zufriedene Mienen reihum. Hermann Lottinger reichte ihm die Hand, Norby ergriff sie, und die Übrigen folgten Lottingers Beispiel.
    »Und trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher