Die Entscheidung liegt bei dir!
empfiehlt.« Dass der Gestürzte vielleicht unvorsichtig war, zu schnell gelaufen ist, sich ungeschickt bewegt hat und deshalb auf dem in einem Schwimmbad zu erwartenden nassen Boden ausgerutscht |66| ist – keine Rede davon. Man ist sich einig: »Die anderen« sind schuld. Man fragt auch nicht, wie man der Gefahr
zukünftig
begegnen kann, was man
tun
kann, um vorzubeugen. Nein, Anklagen ist angesagt. Das hat einen großen Vorteil: Wer jammert, hat immer Kollegen. Er ist nie allein.
Die Neigung, Verantwortung reflexhaft nach außen, auf den anderen abzuwälzen, habe ich schon sehr früh durch meine Großmutter erfahren, die sich bis zum Ende ihres fast 100-jährigen Lebens weigerte, ein Hörgerät zu tragen. Sie sagte nie: »Ich höre schlecht«, sondern: »Du sprichst zu leise.«
Da war die Frau, die zugunsten der Karriere ihres Mannes ihren Beruf aufgab und sich ganz der Kindererziehung und dem Haushalt widmete. Jede beruflich bedingte Versetzung ihres Mannes war mit dem Umzug in ein neues Land verbunden. In dem leidvollen Scheidungsverfahren warf sie ihrem Mann vor, er sei schuld, dass sie nie ein Zuhause gehabt hätte. Sie habe dadurch nie einen Freundeskreis aufbauen können, sie habe für ihn ihren Beruf aufgegeben, ihr fehle deshalb die gesellschaftliche Anerkennung, und schließlich sei aufgrund dieser Umstände auch ihre Ehe gescheitert.
Wenn mein Geld zum Studium nicht reicht, ist es zweifellos einfacher, meinen knickrigen Eltern dafür die Schuld zu geben, als mein Ausgabenverhalten zu überprüfen. Wenn ich merke, dass mich das Seminar langweilt, das ich gerade besuche, ist es einfacher, das der Unfähigkeit des Professors anzulasten und anschließend irgendwelche Bewertungsbögen auszufüllen, als
in der Situation
für eine spannendere Lernform zu sorgen.
Wer anderen Schuld zuweist, braucht sich nicht zu ändern. Wenn Sie sich aber verändern wollen, wenn Sie lernen wollen, dann ist der erste und wichtigste Schritt: die Schuldzuweisung |67| zu beenden. Wenn Sie die Verantwortung auch für Ihr Scheitern übernehmen, liegt es in Ihrer Kraft, es beim nächsten Mal besser zu machen. Wenn Sie aber die Umstände beschuldigen, legen Sie den Grundstein für erneutes Scheitern.
Anklagen ist somit ein Zeitvertreib für Verlierer. Und wer hat schon Zeit zu vertreiben?
|68| Der Wille zur Ohnmacht
Was tue ich dazu?
»Diese unfreundliche Bedienung kann einem den ganzen Einkaufsspaß verderben!« »Mein Mann behandelt mich manchmal wie sein Dienstmädchen!« »Der Chef macht mit uns, was er will.« »Die Schikane der Arbeitskollegen ist unerträglich.« »Beamte hießen früher mal Staatsdiener; davon ist heute nicht mehr allzu viel zu spüren.« »Meine Schwiegermutter mischt sich immer in unsere Kindererziehung ein; dabei hat sie selbst früher alles falsch gemacht.« Die Klage über den böswilligen und mächtigen anderen. Verständnisvolles, einfühlsames Kopfnicken auf den Rängen. Viele rutschen schnell auf der Bananenschale aus und ergehen sich in wohlmeinenden Ratschlägen, wollen helfen, retten. Die Ratschläge beschränken sich weitgehend auf den Vesuch, das Verhalten
des anderen
zu ändern. Und sie versuchen es dann im Guten und im Bösen. Vergebliche Liebesmüh! Weil Sie es wollten, hat sich noch niemand geändert.
Anspruch ist Ablehnung. Und das spürt der andere. Wenn Sie diese Situation kennen, dann ist es doch viel spannender, zu fragen:
Was tun Sie dazu, dass der andere
sich so verhält, wie er sich verhält?
|69|
Sie
tragen etwas dazu bei.
Sie lassen es zu!
Offenbar glaubt er ja, sich Ihnen gegenüber so verhalten zu können. Anderen gegenüber – zum Beispiel
seinem
Chef – wird er sich wahrscheinlich nicht so verhalten. Also werden Sie wohl in der Vergangenheit einiges dazu beigetragen haben, dass er sein Verhalten für völlig in Ordnung hält. Oft ist er sich seiner Wirkung auf Sie gar nicht bewusst.
Wie kann er auch? Als Sie sich das erste Mal über ihn ärgerten, haben Sie geschwiegen. Beim zweiten Mal haben Sie wieder nichts gesagt. Beim dritten Mal war die Gelegenheit ungünstig … und ab dem vierten Mal haben Sie sich sein Verhalten entweder schöngeredet (»Der meint das ja gar nicht so!«), sich schon fast daran gewöhnt (»Es stört mich eigentlich schon kaum mehr!«), oder der richtige Zeitpunkt ist verpasst (»Jetzt ist es zu spät!«). Der richtige Zeitpunkt kommt aber nie. Er ist immer jetzt.
Inwiefern tragen Sie dazu bei, dass der andere so mit Ihnen umspringt?
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