Die Entscheidung liegt bei dir!
Gefühle aufstauen. Sie kleben bei jedem störenden Anlass eine kleine Marke in Ihr Beziehungs-Rabattmarkenbuch. Aber Sie schweigen beharrlich. Sie kleben weiter, bis das Buch fast voll ist. Dann denken Sie: »Wenn es noch einmal passiert …« Und es passiert natürlich noch einmal, weil der andere ja gar nicht ahnt, dass Sie heimlich geklebt haben. Das Maß ist voll, das Rabattmarkenbuch auch, und Sie tauschen es ein – Sie brechen einen riesigen Krach vom Zaun: »Immer machst du …«, »Nie tust du …«, »Das ist wieder mal typisch!« Ihr Partner ist ziemlich überrascht. Er denkt: »Völlig unangemessen, sich bei einem
einmaligen
Vergehen so aufzuregen!« Er weiß ja nicht, dass Sie schon eine ganze Weile Buch führen. Eine Chance zur Veränderung haben Sie ihm nicht gegeben. Die hätte er gehabt, wenn Sie ihm sofort reinen Wein eingeschenkt hätten. Wenn Sie ihm gesagt hätten, wie Sie sein Verhalten erleben und wie sehr Sie darunter leiden. Wenn Sie aktiv ehrlich gewesen wären.
Das Elend der guten Vorsätze
Machen Sie auch manchmal mit bei dem allseits beliebten Gesellschaftsspiel »Gute Vorsätze zum Neuen Jahr«? – »Ich werde mich mehr um die Kinder kümmern!«, »Ich will endlich mal drei Wochen an einem Stück Urlaub machen!«, »Ich werde |73| das Rauchen aufgeben!«, »Ich will den Segelschein machen!«, »5 Kilo abnehmen!«, »Keine Arbeit mehr am Wochenende mit nach Hause nehmen!«
»Gute Vorsätze« heißt:
Ich will eigentlich etwas anderes.
Wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind, verhält es sich ähnlich wie mit dem Konzept »Versuchen«. Vorsätze sind nichts anderes als ein Ersatz für das klare »Ich will es nicht!«. Ich habe aber nicht den Mut, diese eindeutige Aussage zu machen. Nicht mir gegenüber und nicht anderen gegenüber. Deshalb erzähle ich davon, was ich mir alles
vorgenommen
habe. Selbstbetrug. Und Sie können sicher sein: Die anderen interessieren sich für alles Mögliche, nur nicht für das, was Sie sich alles vorgenommen haben.
Menschen sind Gleichgewichtswesen. Sie können nicht lange in einer belastenden seelischen Situation leben. Sie schaffen es immer wieder, sich innerlich auszugleichen. Wenn Sie zum Beispiel die klare Forderung und Notwendigkeit spüren, etwas zu tun (auf der Soll-Seite), es aber eigentlich
nicht
tun wollen, geben Sie Ihre guten Vorsätze gleichsam »in Zahlung« (auf der Haben-Seite). Sie erzählen sich und anderen, was Sie sich vorgenommen haben – und fühlen sich angenehm entlastet. Dieser Gleichgewichtszustand erlaubt es Ihnen dann, passiv bleiben zu können. Es nicht zu tun.
Eine junge Frau, die »eigentlich« Jazzsängerin werden wollte, fragte mich: »Ich habe mir vorgenommen, täglich eine Stunde zu singen, aber ich schaffe es nur viermal in der Woche. Warum schaffe ich es nicht öfter?« Das weiß ich letztlich auch nicht. Aber meine Antwort ist: Weil sie es sich »vorgenommen« hat. Ihr konkretes Handeln spricht eine klare Sprache: Sie will »eigentlich« etwas anderes. Andere Dinge sind ihr wichtiger. Und sie betrügt sich selbst, wenn sie behauptet, sie wolle eigentlich Jazzsängerin werden. Das will sie
nicht
. Sonst würde sie täglich singen.
|74| Was Sie wirklich wollen,
das tun Sie.
Das brauchen Sie sich nicht vorzunehmen. Das passiert »jetzt«. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Menschen, die erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört oder Gewicht verloren haben, »jetzt« damit begonnen. Sie haben von dem einen auf den anderen Tag gehandelt.
Der Traum vom Retter
Selbstverantwortung verbinden wir nicht mit Kindsein. Selbstverantwortung verbinden wir mit Erwachsensein. Als Kinder haben sich unsere Eltern um uns gekümmert und unsere Wünsche erfüllt. Wir waren angewiesen auf ihre Fürsorge, ihre Hilfe, ihre Unterstützung. Wir warteten darauf, dass jemand kommt, uns füttert, von den nassen Windeln befreit, anlächelt, streichelt. Wir konnten darauf vertrauen, dass unsere Mutter oder unser Vater immer wiederkam. Und wir begriffen auch sehr bald: Wir müssen nur lange genug schreien, dann bekommen wir wieder ihre oder seine Aufmerksamkeit.
Wir entwickelten uns weiter und kamen in die Phase, in der wir allmählich eigensinniger wurden. Die erste Erfahrung: »Ich kann es selbst!« Wie stolz wir waren! Wie unser Selbstbewusstsein wuchs! Aber es war auch ein Akt der Trennung von unseren Eltern. Wir lernten täglich mehr. Unsere Eltern machten uns alsbald klar, dass wir, wenn wir etwas konnten, es auch tun sollten. Mehr und mehr
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