Die Entscheidung liegt bei dir!
Selbst, unverändert, vor dem er floh – ein Irrtum, den jeder schon einmal erlebte, der hoffte, die Reise in ein fernes Land mache ihn glücklicher: Man nimmt sich halt immer mit.
Wenn Sie glauben, durch die äußere Veränderung der Lebensumstände etwas zu finden, das Sie nicht in sich selber tragen, reisen Sie von sich selbst weg und verlieren sich im Äußeren. Aber Sie werden bald wieder die Umstände beschuldigen, die wiederum nicht so beschaffen sind, dass Sie sich wohlfühlen. Auch wenn Sie an Ihren Illusionen gerne festhalten wollen:
Niemand ist dafür da,
Sie glücklich zu machen.
Kein Chef, keine Regierung, kein Partner. Wenn Sie mit Ihrer Arbeits- und Lebenssituation unzufrieden sind, dann haben |205| Sie vergessen, für Ihre Wahl Verantwortung zu übernehmen. Sie haben dann außerdem vergessen, dass immer etwas am Ideal fehlt. Sie könnten die Arbeit, die Partnerschaft, die Sie haben, zur einzig richtigen für sich machen. Aber das verhindert Ihre prinzipielle Unzufriedenheit. Sie haben immer das Gefühl, Entscheidendes zu versäumen: Das wahre Leben findet woanders statt, Sie stehen am falschen Bahnhof. Für viele ist das nahe Problem der Brei, um den sie in der Ferne schleichen.
Wer außerhalb seiner selbst sucht, wird sogar den tollsten Partner dieser Welt allenfalls für den zweitbesten halten. Suchen ist seine Einstellung. Nicht Finden. Nach einiger Zeit wird er weiterreisen: »Reisen ist des Narren Paradies«, sagt der amerikanische Unabhängigkeitsdenker Ralph Waldo Emerson.
|206| Selbstbestimmt leben
»Ich«: ein Sich-Ent-Schließen
Der Philosoph Martin Heidegger stellt sich in seinem Hauptwerk
Sein und Zeit
(1927) die Frage: Wann bin ich ganz »bei mir«? Wann erfahre ich mich ganz als »Selbst«? Wann bin ich ganz »wirklich«? Seine Antwort: im Augenblick. Und er beschreibt, dass für die meisten Menschen das Leben lediglich »geschieht«. Es fließt wie ein gleichförmiger Strom am Rande ihrer Existenz vorbei. Es »passiert«. Sie nehmen eher eine beobachtende, unbeteiligte, kraftlose Position ein. Menschen als Strandgut des Lebensstroms.
Jeder hat aber auch in jedem Augenblick neu die Möglichkeit, die Situation gleichsam zu ergreifen, sich willentlich zu dem zu
entschließen
, was er gerade tut. Und in diesem Ent-Schluss wird etwas
ent-
schlossen, was vorher
ver-
schlossen war: das Selbst. Es steht also immer wieder neu zum willentlichen Entschluss an.
Es gibt mithin eine enge Verbindung zwischen Willen und Identität: »Ich kann, wenn ich will« – das stellt die wesentliche Erfahrung der Identität dar. Der Wille ist der eigentliche Kern des Selbstbewusstseins. Nur im Willen zur Entscheidung, nur wenn die Energie von innen kommt, erfährt sich der Einzelne als
für sich stehend
, als selbst-ständig. Denn nur |207| wenn wir etwas wollen, wenn wir entschieden sind, stoßen wir auf Widerstände. Und erst durch diese Erfahrung entsteht ein Gegensatz von Selbst und Außenwelt, erleben wir uns als »Ich« im Unterschied zu anderen.
Ihre Lebensumstände sind es also nicht, die Sie zu dem machen, der Sie sind. Die Umstände machen lediglich sichtbar, wer zu sein Sie gewählt haben. Ihr »Ich«, Ihre Identität, das, was man eine starke Persönlichkeit nennt, ist ein Akt der Abgrenzung, des Erwachsenwerdens, des »Heraus!« aus der Abhängigkeit.
Sie sind das, wofür Sie bereit sind,
Verantwortung zu übernehmen.
Wenn von Selbstbewusstsein gesprochen wird, ist damit oft eine krause Mischung aus Selbstverliebtheit, Erfolgsgier und eindrucksvollem Auftreten gemeint. Das wahre Selbstbewusstsein ist aber
das Ersetzen von »So ist es passiert« durch »So wollte ich es« für den Blick auf die Vergangenheit; von »Ich muss« durch »Ich will« für die Gegenwart und Zukunft.
Die Erfahrung des eigenen Willens ist somit notwendig für die Herausarbeitung eines starken »Ich« beziehungsweise eines starken Selbstbewusstseins. Entschiedenheit heißt dann: Ich kann, weil ich weiß, was ich will. Das, was ich tue, wird nicht nur getan, es ist auch gewollt. Das heißt entschieden leben.
Das Ende der Schuldzuweisung
Im Reich der Selbstbestimmung sitzen nicht mehr »die anderen« am Steuer Ihres Lebensautos, sondern Sie selbst. Sie |208| haben die Kontrolle über Ihr Leben, entscheiden selbst, wie viel Einfluss Sie anderen in Ihrem Leben einräumen. Im Reich der Selbstbestimmung gibt es Freiheit. Und gerade deshalb auch Verantwortung.
Nur Freiheit macht
verantwortlich.
Im Reich der
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