Die Entscheidung liegt bei dir!
sind beharrlich genug, es auch bei Gegenwind und trotz Rückschlägen umzusetzen.
Wohlgemerkt: Ich spreche von »Selbst-Disziplin«. Die Disziplinierung durch andere, wie sie in der Regel in der Erziehung oder auch im Arbeitsleben angewandt wird, wird meist unterlaufen und hat keine langfristig bindende und verpflichtende Wirkung. Ich muss mich selbst für Disziplin entscheiden, ich muss sie für mich wählen.
Der amerikanische Schriftsteller Richard Bach schreibt: »Niemals ist dir ein Wunsch gegeben ohne die Möglichkeit, ihn zu erreichen. Es kann aber sein, dass du dich dafür anstrengen musst.« Ich bin meinem Vater für vieles dankbar; vor allem aber für seine Grundbotschaft, die er in unendlich |196| vielen Variationen wiederholte: »Ob es zu einem guten Ende kommt, kannst du nicht wissen. Aber mache dir niemals den Vorwurf, nicht dein Bestes gegeben zu haben.«
Der Münchhausen-Trick
Ohne Disziplin wird uns nichts gelingen. Dennoch, auch mit noch so viel Disziplin: Es besteht immer die Möglichkeit, ein Ziel zu verfehlen oder einen Wunsch nicht erfüllen zu können. Ist das etwas Schlechtes? Ein Leben kann nur dann gelingen, wenn auch die Möglichkeit des Nicht-Gelingens besteht. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Natürlich will niemand in seinem Leben scheitern; wenn wir aber den Misserfolg als Möglichkeit ausschließen wollen, dann verhindern wir zugleich den Erfolg. Verantwortung für sein Leben übernehmen heißt, sich dessen bei allen Entscheidungen bewusst zu sein.
Im Nicht-Gelingen ist also nichts Negatives. Ohne die Bereitschaft zum Misserfolg gibt es kein Handeln. Wer nicht bereit ist zu verlieren, bleibt schwach. Wer unschuldig bleiben will, ist schon gestorben. Den griechischen Mythos vom steinwälzenden Sisyphos hat Albert Camus positiv gewendet: Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen. Der Irrtum des Sisyphos war, dass er glaubte, er wäre glücklich, wenn der Stein oben bliebe. Dann aber wäre das Spiel hier zu Ende gewesen. Dummerweise spielen die meisten Menschen ein Spiel, um das Spiel zu beenden. Klüger ist es, zu spielen, um zu spielen. (Unbenommen davon bleibt: Lieber ein unerklärlicher Erfolg als ein gut analysierter Fehlschlag.)
Leid ist nicht etwas zu Meidendes, sondern etwas sehr |197| Produktives. Alle Forschungen über die Entwicklung von Selbstvertrauen bestätigen unmissverständlich, was die kürzeste Episode aus den Abenteuergeschichten des Freiherrn von Münchhausen uns als rätselhaft-anziehendes Bild vor Augen hält. Ich meine jene Szene, in der er sich samt Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht: Unser Selbstvertrauen wächst nicht aus Fürsorge und Verwöhnung, sondern ausschließlich aus der Erfahrung, sich aus eigener Kraft aus Niederlagen und Krisen befreit zu haben, sich gleichsam »aus dem Sumpf gezogen« zu haben. Eine wichtige Erfahrung, die uns niemand nehmen kann. Eine Fähigkeit, die wir immer bei uns tragen.
|198| Die Last der Ideale
Alle Entscheidungen, Probleme, Konflikte sind Wachstumschancen. Aber sie sind oft mit Schmerz und mit Verzicht verbunden. Was das Entscheiden so schwierig macht, ist die Illusion, es müsse leicht gehen, ohne Schmerz. Wir hängen an der Vorstellung, der ideale Arbeitsplatz, der ideale Chef, der ideale Partner warteten auf uns.
Es ist natürlich nicht einfach, Vereinbarungen einzuhalten – vor allem die mit sich selbst. Es ist manchmal auch schwierig, sich an Spielregeln zu halten, insbesondere in Zeiten, in denen das Brechen von Spielregeln für Autonomie gehalten wird. Herausforderungen und Schwierigkeiten, Gewohnheiten und Überlebtes aufgeben, alte Denk- und Verhaltensmuster ablegen: All das wird von vielen als unangenehm empfunden – und gemieden.
Am liebsten würden wir immer alles offen lassen. Wir zögern Entscheidungen hinaus – gerade wenn die anstehende Wahl eigentlich keinen Aufschub duldet. Der Versuch, alles auf einmal haben zu wollen, nicht auf eine Alternative zu verzichten, hat jedoch einen hohen Preis: Während wir zögern, verschlafen wir günstige Gelegenheiten. Aufschub produziert Frustration, und jeder weiß, wie aufreibend das Gefühl inneren Hin-und-her-gerissen-Seins ist.
Es gehört zu den glückszerstörenden Eigenschaften vieler |199| Menschen, mit der großen Lupe auf das zu schauen, was
nicht
in Ordnung ist, das Haar in der Suppe zu suchen, immer das zu begehren, was sie gerade
nicht
haben. Der Junggeselle beneidet den stolzen Familienvater um den Sohn,
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