Die Entscheidung
Wenn ich auf den aufpassen musste, hat er immer ein riesiges Theater veranstaltet. Mady ist einfach ein ganz besonderes Baby, nicht wahr?“
Ja, dachte Johanna. Das war sie wohl wirklich. Und zwar vor allem, weil sie so viel Liebe und Zuneigung bekam. Swana war im Alter von sechzehn schwanger geworden und das Baby war jetzt gerade mal zwei Monate alt. Es war im Dorf nichts Ungewöhnliches, wenn die Mädchen früh Kinder bekamen, und wurde von der Gemeinschaft absolut unterstützt und erwünscht. Das Dorf brauchte Kinder. Und zwar so viele wie möglich. Hinzu kam, dass man den Kindern nicht vorschreiben wollte, wie lange sie abstinent zu leben hatten. Und da menschliche Verhütungsmittel bei Warmblütern nicht funktionierten, kam es immer wieder zu so frühen Schwangerschaften. Für gewöhnlich gaben die jungen Mütter ihre Babys bald nach der Geburt an die Großmütter weiter, um ihre Freiheit nicht so früh zu verlieren.
Nicht jedoch Swana. Das Mädchen hatte sich schlichtweg geweigert, Mady an Viktoria weiterzureichen. Sie hatte das Baby von der ersten Sekunde an vergöttert und scherte sich nicht darum, was die anderen Mädchen in ihrem Alter darüber dachten.
Johanna respektierte und bewunderte Swana für ihr Verhalten. Aber was sollte werden, falls die junge Frau in ein paar Jahren doch auf die Idee kommen sollte, auf Wanderschaft zu gehen, wie die meisten jungen Dorfbewohner es irgendwann taten? Ein Baby konnte sie dabei unmöglich mitnehmen. Und für Mady wäre es eine schwere Umgewöhnung, wenn sie erst dann zu Viktoria musste. Falls Mady so lange überhaupt überlebte.
Der Dämon hatte so vieles verändert. Was vorher selbstverständlich war, zählte, seitdem er aufgetaucht war, nicht mehr. Er war eine Heimsuchung. Eine Strafe dafür, dass sie nicht besser aufgepasst hatten. Und seit inzwischen zwanzig Jahren versetzte er das Dorf jeden Vollmond in Angst und Schrecken.
Johanna seufzte. Es wunderte sie nicht, dass immer mehr junge Leute gar nicht erst ins Dorf zurückkamen. Aber lange konnte es so nicht mehr weitergehen. Der Dämon hatte ihrer aller Leben völlig aus den Fugen gebracht. Doch vielleicht würde Darreks Besuch endlich die Veränderung bringen, für die sie alle schon so lange beteten.
Kapitel 5
Das Blutopfer
„Na? Was ist es diesmal?“, fragte Laney, während sie sich auf dem Autositz zurücklehnte.
Darrek sah sie missmutig an. Nach einer ruhigen Nacht in einem kleinen Hotel hatte er sich ein Geländefahrzeug geliehen und war mit Laney zusammen Richtung Norden gefahren. Alles auf Kosten der Ältesten.
Darrek hatte schon vor langer Zeit angefangen, sich eine menschliche Identität zuzulegen. Und dieser Identität hatte er über unterschiedliche Kanäle immer wieder Geld zukommen lassen. Als Akimas Sohn hatte er freien Zugang zu den finanziellen Ressourcen. Niemand hatte ihm bei seinen Ausgaben ein Limit gesetzt, wodurch es ihm möglich gewesen war, unbemerkt Geld abzuzwacken. Für Notfälle, wie diesen. Die Kreditkarte lief auf falschem Namen und war nicht zu ihm zurückzuverfolgen.
„Was meinst du?“, fragte Darrek.
„Was ist diesmal los?“, präzisierte Laney. „Den engen Zeitplan der Ältesten brauchst du nicht mehr zu befolgen. Den Stress solltest du also eigentlich los sein. Und trotzdem sitzt du hier wie auf heißen Kohlen. Also. Was ist es jetzt, das dich so zur Eile antreibt?“
Darrek warf Laney einen kurzen Blick zu und sah dann wieder auf die Straße. Er hatte schlecht geträumt. Und zwar zur Abwechslung nicht von Kara, sondern vom Dorf der Outlaws. Alle Vampire, die er dort je gekannt hatte, hatten nach ihm gerufen und ihn angefleht sich zu beeilen, um ihnen das Leben zu retten. Und ein wichtiger Faktor war dabei der Vollmond gewesen.
„Der Mond“, erklärte Darrek daher. „Er ist es, der mich hetzt.“
„Der Mond?“
„Wenn alles gut geht, sollten wir es schaffen, heute Nacht irgendwann bei den Outlaws einzutreffen. Aber heute ist Vollmond. Und in den Bergen gibt es Wilde. Ich hatte das vorher nicht bedacht.“
Laney schluckte. Auf den Mondkalender hatte auch sie nicht geachtet. In Spanien war sie nie einem Wilden begegnet. Zu viel Sonne. Dementsprechend hatte sie verlernt, dem Vollmond den nötigen Respekt entgegenzubringen. Wilde waren für gewöhnlich schreckhafte Geschöpfe, die sich vorzugsweise in dunklen Höhlen aufhielten. Doch auf das Licht des Vollmonds reagierten sie extrem stark. Es machte sie hungrig.
„Nun. Dann sollten wir uns halt einen
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