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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Siebern
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bei ihm verbringen dürfen.
    „In Ordnung“, sagte George. „Ich würde ja gerne sagen: Ruf, wenn du Hilfe brauchst. Aber ich schätze, ich würde nicht viel ausrichten können.“
    Nun lachte Laney richtig. Es war unglaublich, dass George sich Sorgen um sie machte, obwohl er es ja war, der bald zur Schlachtbank geführt werden sollte.
    „Nein. Das könntest du wirklich nicht“, gab sie zu. „Aber ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen. Geh wieder schlafen, George. Wirklich. Mir geht es gut.“
    George nickte und Laney schloss schweren Herzens die Tür wieder ab. George hatte wirklich ein gutes Herz und es tat ihr unendlich leid, dass sie ihn nicht einfach weglaufen lassen konnte. Wo sollte er auch groß hin? Um zurück in die Menschenwelt zu kommen, musste er zuerst einmal wieder den Weg auf die andere Seite der Schlucht finden. Und das war in der Dunkelheit so gut wie unmöglich. Ihn freizulassen würde also nicht viel bringen. Dadurch beschleunigte sie seinen Tod wahrscheinlich eher noch.
    Traurig ging sie zu Darreks Zimmer hinüber und blieb einen Moment im Türrahmen stehen. Er hatte das Fenster geöffnet und stand nur in Unterwäsche in der eisigen Luft. Er hatte ihr den muskulösen Rücken zugewandt, sodass sie freien Blick auf seine Narben hatte. Eine Gänsehaut hatte sich über seinen gesamten Körper gezogen, aber er schien das Gefühl der eisigen Kälte regelrecht zu genießen. Seine Augen waren geschlossen und er atmete tief ein und aus.
    „Ziemlich kalt geworden“, stellte Laney fest, als sie in das Zimmer trat.
    Darrek drehte sich langsam zu ihr um und schloss dann das Fenster.
    „Hast du die Lämmer beruhigt?“, fragte er mit zusammengekniffenem Mund.
    „Hör auf, mich zu provozieren, Darrek“, fuhr Laney ihn an, als ihr klar wurde, dass er von George sprach. „Du weißt genau, wie sehr ich es hasse, was George bevorsteht. Und du brauchst ihn nicht mit hineinzuziehen, nur um mich vom eigentlichen Thema abzulenken.“
    „Und das wäre? Das Wetter?“
    „Natürlich nicht. Ich wusste nur nicht, wie ich anfangen soll.“
    „Und? Weißt du es jetzt?“
    „Ich … ich hatte einen Albtraum.“
    „Das war offensichtlich.“
    Laney warf Darrek einen bösen Blick zu und fing dann an, im Zimmer auf und ab zu laufen.
    „Ich weiß nicht, ob ich jemals damit klarkommen werde, dass du meine Mutter getötet hast. Ganz gleich in wessen Auftrag.“
    „Es war kein Auftrag, Laney. Es war ein Zwang. Du weißt nicht, wie das ist, Prinzessin. Dir hat noch niemals jemand seinen Willen aufgezwungen. Wie ich Jason einschätze, hat dir auch noch nie jemand den Hintern versohlt. Von Auspeitschen keine Rede.“
    Laney schüttelte den Kopf. Solche Dinge hatte sie in der Tat nie erleiden müssen. Sie hatte immer gedacht, dass es genügte, dem Tod ihrer Mutter beigewohnt zu haben. Aber offensichtlich konnte man noch ganz andere Arten des Horrors als Kind erleben.
    „Warum hast du mich geküsst?“, fragte Laney.
    Darrek zögerte.
    „Ich … Das war ein Fehler. Tut mir leid. Das wird nicht wieder vorkommen.“
    „Das beantwortet nicht meine Frage.“
    Darrek sah Laney an und erkannte schließlich, dass sie auf eine Antwort beharren würde.
    „Ich habe auch geträumt, Laney“, gab er zu. „Ich habe geträumt, was du geträumt hast. Saß mit dir in dem Hohlraum und habe zuhören müssen, wie deine Mutter getötet wurde. Ich konnte deine Angst spüren. Deine Panik, als du mich gesehen hast. Und als du aufgewacht bist, wusste ich, dass du diese Panik immer noch verspürst. Ich … ich will nicht, dass du Angst vor mir hast, Laney. Deswegen wollte ich dir einfach eine andere Empfindung geben, an die du dich erinnern kannst. Etwas anderes, was du mit meinem Gesicht verbinden kannst. Ich konnte deine Verzweiflung nicht ertragen. Das ist alles. Es hatte nichts weiter zu bedeuten.“
    Natürlich nicht, dachte Laney. Wie sollte es auch.
    Es hatte nichts zu bedeuten? , fragte sie dennoch auf ihre stumme Weise nach. So, als könnte sie nur auf diese Weise sicher sein, von ihm die Wahrheit zu erfahren.
    Gar nichts , bestätigte Darrek und wandte sich wieder von ihr ab, um aus dem Fenster zu sehen.
    Das hätte ich mir ja denken können, dachte Laney und drehte sich um, um zu ihrem Zimmer zurückzukehren. Sie sollte dringend noch ein wenig schlafen.

Kapitel 20
Fremde Sitten
    In den nächsten Tagen ging Laney Darrek so weit wie möglich aus dem Weg. Sie hatte keine Lust mehr, sich mit ihm über George zu streiten, und

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