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Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (German Edition)

Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel
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Kapitel in Porter 2003). Die europäische Aufklärung nahm «Welt» in sich auf und wirkte umgekehrt weit über die Grenzen des europäischen Kontinents hinaus.
    Diesem entprovinzialisierten Bild von Aufklärung, das sie als eine Bewegung der mentalen Öffnung über das Eigene hinaus und damit als Vorläuferin eines heute vielfach angestrebten Kosmopolitismus zu zeigen versucht, steht in der Diskussion eine völlig entgegengesetzte Bewertung gegenüber. Dieser Ansicht zufolge zeigten sich im Verhältnis zur außereuropäischen Welt einige unattraktive Züge der Aufklärung mit besonderer Deutlichkeit: der Wahn, sich alles kognitiv unterwerfen zu wollen, Machtausübung durch Ordnung und Planung, universalistische Gleichmacherei ohne Sinn für kulturellen Eigensinn, Zurückweisung aller Maßstäbe außer den eigenen, «Logozentrismus», eine ausschließlich männliche Wahrnehmungsperspektive, usw. Die sonst gelobte Toleranz der Aufklärung wird in dieser Sicht als heuchlerisch gebrandmarkt, der intellektuellen Neugier ein imperialer Beherrschungswille unterstellt. Diese Fundamentalkritik, die vielfach alte gegenrevolutionäre und romantische Motive aufnimmt, ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Eine gewisse Skepsis schützt davor, den Selbstidealisierungen des 18. Jahrhunderts zu eng zu folgen, und zumindest das Schweigen der meisten Aufklärer zum Skandalon von Sklavenhandel und Sklaverei irritiert bis zum heutigen Tage. Dennoch schießt die Aufklärungskritik, die in den neunziger Jahren zur Mode wurde, vielfach weit über das Ziel hinaus. Explizit kolonialismuskritische Stimmen aus dem 18. Jahrhundert (Muthu 2003) werden nicht zur Kenntnis genommen, allzu bruchlose Genealogien zwischen den anthropologischen Differenzierungen von Aufklärungsdenkern und dem späteren biologischen Rassismus des 19. Jahrhunderts konstruiert, Texte nicht mit der nötigen philologischen Umsicht behandelt (Carey/Trakulhun 2009). Insgesamt gesehen, hat die Reputation der europäischen Aufklärung die Attacken mit nur geringen Blessuren überstanden. Daß niemand im18. Jahrhundert strengsten heutigen Maßstäben von Antirassismus, Multikulturalismus und kulturellem Relativismus genügt, kann nur diejenigen erstaunen, die von den heute viel beschworenen historischen Kontexten völlig absehen. Die Deutung, die in der Entzauberung Asiens entwickelt wurde, kann sich durch die Debatte im wesentlichen bestätigt sehen: Die Suche nach älteren Vorbildern für zeitgemäße Weltbürgerlichkeit und für globale Ordnungsvorstellungen ohne steile Hierarchien und scharfe Kontraste führt in ein Zeitalter zurück, das mit Gottfried Wilhelm Leibniz begann und mit Alexander von Humboldt, dem letzten großen Aufklärer, endete.
    Reisen und Kolonialismus
    In welchem Maße waren europäische Beschreibungen von Nicht-Europäern und europäische Urteile über sie von einem kolonialistischen Gesamtklima der Zeit beeinflußt oder gar kontaminiert (vgl. auch Lüsebrink 2006)? Entgegen einem zu pauschalen Kolonialismusbegriff soll hier auf Differenzierungen beharrt werden. Zweifellos bildete auch das18. Jahrhundert – wie jedes der beiden Jahrhunderte vor ihm – eine besondere Etappe in einer lang andauernden europäischen Offensive, eine wichtige Periode im Aufbau europäischer Imperien (Darwin 2007: 160–85). Dennoch befreit der Hinweis auf eine allgemeine europäische Expansionsdynamik keineswegs davon, sich besondere Umstände genau anzusehen. Der europäische Kolonialismus hatte im 18. Jahrhundert in Asien zwei Kernzonen: Südostasien (vor allem das niederländische Indonesien und die spanischen Philippinen) sowie Südasien (das niederländische Ceylon und die ab den 1760er Jahren von der britischen East India Company unterworfenen Teile Indiens). In zwei anderen Großregionen des Kontinents waren Europäer relativ ungehindert aktiv, ohne daß es zu kolonialer Landnahme und zum Aufbau kolonialer Herrschaftsstrukturen gekommen wäre: in der Südsee, in der sich Briten und Franzosen einen friedlichen Marinewettbewerb lieferten, und in Sibirien, das vor der großen Siedlungsimmigration des 19. Jahrhunderts in einer eher protokolonialen Weise in das Zarenreich integriert wurde. Überall sonst in Asien fehlte europäische Kolonialherrschaft. China war eine starke Imperialmacht, die von Europa nichts zu fürchten hatte. Japan hielt sich alle westlichen Ausländer erfolgreich vom Leibe. Zentralasien war für Europäer weithin unzugänglich. Das Osmanische

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