Die Epidemie - Teil 1
auffressen wollte.
Die Ereignisse überschlugen sich. Ich und vor allem der Mann,der für mich immer ein Unbekannter bleiben wird, wurden davon überrascht.
Plötzlich tauchten hinter ihm mehrere Gestalten auf. Ihre Kleider waren zerrissen und sie sahen genauso aus wie die Gestalten, die vor mir herliefen. Sie überrollten den auf dem Boden sitzenden Mann. Binnen eines Augenblickes war von ihm nichts mehr zu sehen. Der wilde Haufen, der von draußen hereinkam, verdeckte seinen Körper komplett.
Panische Schmerzensschreie hallten durch das Gebäude und ich hörte wie der Mann versuchte, um Hilfe zu schreien. Doch für den Mann kam jede Hilfe zu spät. Ich kam zu spät.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte zurück.
Meine Absichten, diesem Mann zu helfen, wurden zerschlagen und mein Vorhaben hatte keine Aussicht auf Erfolg mehr.
Ich hoffte nur, dass er keinen langsamen, qualvollen Tod erleiden musste, sondern schnell sein Bewusstsein verlor und nicht viel davon merkte.
Zurück im Büro nahm ich die Tasche wieder an mich. Um mich vor einem möglichen Angriff zu schützen, schob ich unter großem Kraftaufwand den massiven Holztisch vor die Tür. Da sich diese nur nach innen öffnen ließ, hoffte ich auf einen zusätzlichen Schutz.
Weiteres Ausharren in diesem Gebäude hatte für mich keinen Sinn mehr. Ich musste hier raus.
Vorsichtig spähte ich durch das Fenster und sah, dass die Straße menschenleer war. Vielleicht hatten auch die Schreie des Mannes alle Kreaturen in der Umgebung angezogen und sie auf die andere Seite des Gebäudes geführt.
Ich öffnete das Fenster und schaute nach links und rechts, immer darauf bedacht, so wenige Geräusche wie möglich zu machen. Am liebsten wäre ich wie ein dunkler Schatten von einer Hausecke zur anderen gehuscht. Ich wollte von niemanden gesehen werden.
Die Straße war leergefegt. Dort, wo noch vor wenigen Stunden reger Verkehr und Menschengedränge herrschten, waren jetzt nur umgekippte Müllcontainer und verlassene Fahrzeuge zu sehen.
Der Sprung aus dem Fenster hallte bis an die gegenüberliegenden Häuser und erzeugte ein kleines Echo. Ich erschrak, blieb für eine Weile regungslos stehen und horchte angestrengt. Immer darauf bedacht, jedes verdächtige Geräusch rechtzeitig wahrzunehmen.
Zum Glück schien sich meine Vermutung, dass sich niemand außer mir in den Straßen befand, zu bestätigen, denn es war nichts zu hören.
Die hohen Bürobauten reihten sich aneinander und ließen die Straße wie einen Tunnel erscheinen. Zwischen den einzelnen Gebäuden befanden sich kleine Seitenstraßen. Wollte mich also jemand überraschen oder gar aus dem Hinterhalt angreifen, so würde es ihm in dieser Gegend sicherlich nicht an Versteckmöglichkeiten mangeln.
In der Hoffnung bald auf einen Militärposten zu stoßen, um dort Schutz zu suchen, rannte ich weiterhin die asphaltierte Straße entlang. Immer wieder stieß ich auf verlassene Fahrzeuge, die an den Straßenseiten standen und mit denen die Bürger zum Zeitpunkt des Angriffs unterwegs waren. Vereinzelt konnte man aber auch die Fahrzeuge der Miliz und sogar des AMONs erblicken. Die letzteren standen jedoch meist quer und bildeten somit eine Absperrung.
Warum diese Maßnahmen eingeleitet wurden, war mir bis dahin überhaupt nicht klar. Die Unerfahrenheit dieser Einheiten im Umgang mit solchen Krisensituationen hinterließ ihre Spuren und kostete vermutlich etlichen Bürgern das Leben.
Erst im Nachhinein verstand ich, dass dieses Vorgehen zu den ersten Schritten gehörte, um die Massenpanik und das herrschende Durcheinander etwas einzudämmen. Somit wurden die breitesten Zufahrten zu Nebenstraßen verbarrikadiert. Die Absperrungen hinderten die anderen daran, ihre Flucht mit mit den Fahrzeugen fortzusetzen.
Es war sicherlich eine wirksame Methode, ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen. Aber ob dadurch vielleicht nicht noch mehr Menschen den Infizierten zum Opfer fielen, war eine andere Frage.
So langsam fing es an, zu dämmern und die Sonne senkte sich am Horizont. Der Himmel färbte sich hellrot und das ließ mich an die Erlebnisse des heutigen Tages zurückdenken. Vielleicht war es ein Zeichen. Ich hatte das Gefühl, dass die ganze Erde um die an diesem Tag Verstorbenen trauerte und den Himmel deshalb in ein Rot tauchte.
Ich blieb an einer Straßengabelung stehen. Etwa dreihundert Meter vor mir sah ich eine große, weiträumige Kreuzung. Aus einem mir bis heute immer noch unerklärlichen Gefühl
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