Die Epidemie - Teil 1
Menschenfleisch durch die Gegend umherwandern.
An seiner rechten Seite hing ein schwarzer Halter. Da er von der Jacke des Toten teilweise verdeckt wurde, fiel er mir erst beim Herausklettern ins Auge. Es war ein Pistolenhalter, in dem sogar eine Waffe steckte.
Sicher darüber, dass er sie nie mehr brauchen würde, streckte ich meine Hand nach ihr heraus. Ich schob seine tarnfarbene Jacke langsam zur Seite und sah nun das Prachtstück in voller Größe.
Das Gewehr war ein Geschenk des Himmels, doch eine Handfeuerwaffe war noch viel praktischer, da ich sie immer griffbereit bei mir tragen konnte.
Um an die Waffe zu kommen, versuchte ich den Knopfverschluss der Sicherheitsschnalle mit meinem Daumen und Zeigefinger zu öffnen.
Plötzlich gab der Mann, den ich für tot gehalten hatte, ein Stöhnen von sich. Überrascht und verlegen zugleich sah ich ihn an.
Warum ich mich nicht wirklich von dem Tod des Mannes überzeugt hatte, konnte ich mir in diesem Moment auch nicht erklären. Stattdessen schämte ich mich und fühlte mich wie ein Krimineller, der ihn am helllichten Tag ausraubte.
Sein Stöhnen wurde noch lauter und intensiver. Mit den Händen umklammerte er das Lenkrad und drehte seinen Kopf wild hin und her. Meine Hand lag immer noch an dem Verschluss des Waffenhalters. Ich kniete weiterhin an dem Beifahrersitz und sah dem Treiben des Verletzten zu.
Schließlich schaffte er es, seinen Kopf aus der Falle zu befreien. Ich reagierte blitzschnell, umklammerte die Pistole und zog sie aus der Halterung.
Der Fahrer zog sein Gesicht aus dem Lenkrad, drehte es unverzüglich in meine Richtung und griff mit seinen Händen nach mir. Panisch warf ich mich nach hinten, um der Wucht seines Schlages auszuweichen.
Meine Reaktion war so heftig und unkontrolliert, dass ich das Gleichgewicht verlor und kopfüber nach hinten aus dem Wagen fiel. Da sich die Tür lediglich zur Hälfte öffnen ließ, wurde mein Sturz etwas abgefangen und ich knallte nicht gegen die Hauswand.
Völlig außer mir starrte ich von unten in die Fahrerkabine hinein. Die Kalaschnikow lag etwa einen Schritt von mir entfernt. Die Pistole hatte ich beim Sturz nicht losgelassen und hielt sie fest in der rechten Hand.
Ich rechnete nicht mit einem direkten Angriff oder damit, dass der Mann mich umbringen wollte. Er war eingeklemmt und erhoffte sich wahrscheinlich nur Hilfe von mir! Trotzdem nahm ich das Magazin aus der Pistole und prüfte es auf Vollständigkeit. Die Waffe besaß noch die volle Munition. Ich zog den Schlitten nach hinten und lud sie durch.
Es war ein überwältigendes Gefühl. Jetzt hielt ich eine geladene Waffe in meinen Händen! Es war die pure Macht!
Aus dem Inneren der Kabine kamen Geräusche, die ich nicht wirklich deuten konnte. Ich stand auf und blickte vorsichtig hinein. Voller Entsetzen sah ich die hässlich verstellte Fratze des Fahrers. Ihm konnte keiner mehr helfen. Es war großes Glück, dass ich ihm nicht zum Opfer gefallen war.
Mir konnte er nichts mehr anhaben. Aus seiner Falle führte kein Weg heraus. In den offenen Wunden sah ich weiße Stellen, was darauf hindeutete, dass sämtliche Knochen seines Unterkörpers gebrochen waren. Seine Beine hätten das Gewicht seines Körpers also ohnehin nicht tragen können.
Ich zweifelte daran, dass der Mann noch einen Funken Verstand besaß. Ihm war nur bewusst, in welche Richtung ich geflohen war. Deshalb wandte er sich zum Beifahrersitz und schlug wie wild auf ihm herum.
Erst jetzt erkannte ich, was mit ihm passiert war. Seine linke Wange war zerrissen. Es fehlte ein breites Stück. Bei jeder Kieferbewegung schimmerten die weißen Zähne hindurch, die zum Teil blutverschmiert waren. Es schien so, als ob er etwas kauen würde, doch sein Mund war leer. Es war lediglich die Körperreaktion eines hungrigen Infizierten.
Aus seinem Mund kamen nur dumpfe Laute. Da ihm seine Zunge und ein Stück seiner Wange fehlten, konnte er keine anderen Laute von sich geben. Man hörte lediglich die Luft, die er aus seiner Lunge presste.
Diese Verletzung musste ihm ein Infizierter zugefügt haben, denn von dem Unfall konnte sie sicherlich nicht stammen.
Nun hatte ich die Chance, einen Infizierten aus nächster Nähe zu betrachten. Doch ich war immer noch weit genug entfernt, so dass er mich nicht zu fassen bekam. Ich konnte ihn atmen hören und sogar seinen Atem riechen. Es stank bestialisch.
Je länger ich den Soldaten anstarrte, desto mehr Mitleid empfand ich für ihn. Er war nicht viel älter
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