Die Epidemie - Teil 2
normalisiert hatte. Er stand auf und holte aus unserer Provianttasche etwas zu essen und zu trinken heraus und reichte es der Frau.
Zeff dagegen säuberte weiterhin den Lauf seiner Waffe und zeigte keine Gefühlsregung. Anschließend platzierte er die Einzelteile der auseinandergebauten Pistole wieder an die richtigen Stellen, setzte das vollgeladene Magazin ein und zog den Schlitten nach hinten. Eine Patrone rastete ein.
„ Können wir nun aufbrechen?“
Maria kaute langsam und genüsslich. Es war ihre erste Mahlzeit seit Tagen. Sie ließ sich durch das unhöfliche Verhalten des jungen Soldaten nicht aus der Fassung bringen und würdigte ihn keines Blickes.
Auch Georgi entging der hitzige Unterton seines Kameraden nicht. Die Unfreundlichkeit, die er der alten Dame entgegenbrachte, widerte ihn sogar an. Er holte aus und versetzte dem Unruhestifter mit der Innenseite seiner Hand einen Schlag auf den Hinterkopf. Der Schlag war so heftig, dass Zeffs Kopf hin und her schaukelte. Aufgebracht sprang er in die Höhe und stieß dabei den Stuhl zur Seite. Als er sah, von wem der Schlag kam, schluckte er seinen Ärger widerwillig herunter und schaute in die Runde.
Bevor wir unsere ungewisse Reise antraten, stärkten wir uns alle mit den rationierten Lebensmitteln. Ich löste Nikolai von seinem Posten ab und gab ihm die Gelegenheit, sich ebenfalls den Magen vollzuschlagen. Danach ging es auch ihm viel besser, wobei der positive Stimmungswechsel mehr Marias Wiederkehr aus der Abgeschiedenheit zu verdanken war.
Ich hatte mich im Laufe der letzten Tage an unser schützendes Versteck gewöhnt und es sogar liebgewonnen. Es verlieh unserem Aufbruch einen negativen Beigeschmack. Meine Emotionen behielt ich aber für mich, um die einigermaßen zuversichtliche Aufbruchstimmung der anderen nicht zu trüben.
Nachdem Georgi und Zeff unsere Umgebung kontrolliert hatten und keine Auffälligkeiten oder Gefahren feststellen konnten, traten wir aus dem Haus und gingen mit schnellen, aber leisen Schritten die Straße entlang, unserem Ziel entgegen.
Tag 14 - Der Marsch
W ir kamen langsamer voran, als zuvor angenommen. Je weiter wir uns von der Radiostation entfernten, desto größer wurden auch die Ansammlungen der Infizierten. An manchen Kreuzungen wimmelte es nur so vor ihnen. Sie standen in großen Gruppen zusammengekauert herum. Die Ansammlungen glichen einer Massendemonstration.
Die Nacht war sehr dunkel. Die wenigen Straßenlaternen, die vor dem Ausbruch der Epidemie noch funktionsfähig waren, leuchteten bereits seit Tagen nicht mehr. Der Halbmond war unsere einzige Lichtquelle. Hin und wieder, wenn sich die Wolken lichteten, sahen wir die Umrisse der Gesichter, die nicht mehr zur menschlichen Rasse gehörten.
Keiner blieb von der Infektion verschont. Viel grässlicher war aber der Anblick der Säuglinge, die auf den Straßen und Bürgersteigen herumkrabbelten. Die übrigen Infizierten achteten nicht auf sie und traten auf die kleinen Leiber oder schleiften sie beim Gehen mit den Füßen auf dem Asphalt vor sich her. Lediglich das Geschrei zeugte von dem Schmerz der Winzlinge.
An diesen Anblick konnte sich keiner von uns gewöhnen, ganz gleich wie oft wir es zu sehen bekamen.
Wie eine Diebesbande bewegten wir uns im Schutze der Dunkelheit. Wir rannten von einem Schatten zum anderen und versuchten dabei, so geräuschlos wie möglich zu sein. Doch damit hatten wir nicht immer Erfolg.
Wir bildeten eine Kette. An der Spitze unseres Trupps marschierte Georgi. Er ging immer mit mehreren Schritten voraus und erkundete den Weg. Nicht selten stieß er auf einzelne Gestalten, die plötzlich aus den Straßenmündungen oder verlassenen Häusern ins Freie traten. Die armen Seelen hatten keine Überlebenschancen. Mit geschickten Handgriffen bewies Georgi seine Nahkampferfahrungen und brach ein Genick nach dem anderen. Gelegentlich verwendete er auch sein geliebtes Kampfmesser und durchbohrte damit die Schädeldecken seiner Angreifer.
Immer wenn er die Infizierten mit seinen bloßen Händen anfasste, um sie unschädlich zu machen, machte mein Herz einen Sprung. Ich fragte mich, wie man so leichtfertig sein konnte. Zwar waren seine Handflächen nicht vollkommen ungeschützt, denn er trug schwarze Handschuhe, diese waren aber an den Fingerkuppen abgeschnitten, so dass ihn jede kleinste Verletzung in wenigen Sekunden zu einer Bestie hätte verwandeln können. Ich behielt meine Gedanken jedoch für mich. Es war nicht der richtige
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