Die Epidemie - Teil 2
nicht zu folgen, sondern in der Radiostation zu bleiben, standen nun auf dem Flachdach des Gebäudes. Ich war froh sie lebendig und gesund wiederzusehen. Auf den ersten Blick schienen sie nicht infiziert zu sein, denn sie guckten abwechselnd über den Rand des Daches nach unten und wechselten miteinander ein paar Sätze. Adam schien Alesja von etwas überzeugen zu wollen, er gestikulierte mit den Händen und schaute sich ständig um.
Nach etwa einer Minute schien sein Monolog zu fruchten. Alesja kam zu ihm und lehnte ihren Kopf an seine Brust. Adam umarmte sie, streichelte ihr liebevoll über das lange Haar und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Daraufhin küssten sie sich. Es war kein flüchtiger Kuss, sondern ein sanfter, warmer und zärtlicher Kuss.
Für einen Moment schien die Welt wieder in Ordnung zu sein. Der Anblick eines sich liebenden Pärchens erfüllte unsere Herzen mit Freude. Ich war mir sicher, dass es sogar Zeff und Georgi berührte. Die Strapazen und das Erlebte der letzten Tage schienen wie weggeblasen zu sein.
Nikolai lächelte leise. „Süß“. Ich bestätigte seinen Kommentar mit einem Kopfnicken.
Die romantische Zweisamkeit wurde plötzlich gestört. Am anderen Ende des Daches erschienen Gestalten. Wenige Augenblicke später strömten noch mehr Kreaturen durch die Metalltür, sahen sich auf dem Dach um und rannten zum Pärchen.
Niemand von uns sagte ein Wort. Die Ereignisse überschlugen sich und versetzten uns in eine Schockstarre. Ich hielt den Atem an und musste mich zwingen, meine Augen nicht von dem schrecklichen Schauspiel abzuwenden.
Alesja stand mit dem Rücken zur Tür und konnte die Angreifer nicht sehen. Adam war der Erste, der den Ernst der Lage begriff. Als Alesja nun das Geschrei hinter sich vernahm, versuchte sie sich umzudrehen, doch Adam hielt sie davon ab. Er umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und gab ihr einen Kuss auf die Lippen. Danach drückte er ihren Kopf auf seine Brust und küsste ihren Haaransatz.
Seine rechte Hand griff nach hinten und holte aus seiner Hose eine Pistole heraus. Er setzte den Lauf an Alesjas Kopf und drückte ab.
„ Neeeein!“, Maria brach bei dem Anblick in Tränen aus und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Nikolai stand hinter ihr und legte seine Hände tröstend auf ihre Schultern. Auch er versteckte sein Entsetzen nicht. Dicke Tränen liefen an seiner Wange herunter und fielen auf den Boden.
Adam hielt den leblosen Körper seiner Geliebten weiterhin in seinen Armen. Nur wenige Meter trennten die Infizierten von den beiden. Adam bekreuzigte sich zum letzten Mal und steckte den Lauf seiner Waffe in den Mund. Ein lauter Knall und eine rote Blutwolke verkündeten das endgültige Aus des Pärchens. Ihre Körper sanken auf den Boden des Daches. Im gleichen Augenblick erreichten ihre Verfolger die Stelle, an der sie lagen.
Wie wilde Bestien scharrten sie sich um die leblosen Körper und bissen zu.
Maria fiel in Ohnmacht.
Tag 13 - Der Aufbruch
D as tödliche Schauspiel hatte uns alle aus dem Konzept gebracht. Besonders stark hatte es aber Maria getroffen. Sie verbrachte die letzten beiden Tage mit Weinen und verfluchte die immer noch unbekannte Seuche.
Seuche! Das war wohl die treffendere Bezeichnung dafür. Sie hatte sich bereits über die Landesgrenzen ausgebreitet und umfasste schon lange nicht mehr nur lokale Gebiete. Eine Epidemie erreichte niemals ein solches Ausmaß. Da nur ich die weltweite Lage kannte und die anderen mit dieser Information nicht zusätzlich belasten wollte, blieb ich bei der alten Bezeichnung, wenn wir über dieses Thema sprachen.
Die letzten drei Tage harrten wir hauptsächlich in dem Gebäude aus, aßen, tranken und reinigten unsere Waffen. In den letzten zwei Nächten unternahmen wir mit Georgi kurze Erkundungsgänge und schauten uns in dem Viertel um. Hin und wieder trafen wir einzelne Wandergruppen, verhielten uns aber ruhig und vermieden jeden Kontakt mit ihnen. In der Dunkelheit waren wir ihnen überlegen. Ich wusste nicht, warum die Infizierten überhaupt keine Sehfähigkeit besaßen, wenn die Sonne unterging. Auch unser Mediziner Nikolai hatte für dieses Phänomen keine Erklärung, vermutete aber, dass es an der Mutation lag, die möglicherweise die Netzhäute oder die Linsen der Infizierten veränderte.
Ich erzählte Georgi von meinem Aufenthalt in einem der Häuser, von dem Militärfahrzeug und dem eingeklemmten Fahrer, der mir fast zum Verhängnis wurde. Er hörte mir aufmerksam zu und
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