Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
Vom Netzwerk:
Höhe mit dem Sims des Wasserfalls herniederhing.
    Mal schlug die Augen auf. Sie mußten sich zu ihm hinunterbeugen, um zu verstehen, was er sagte. »Ich sehe ein Bild.«
    Die drei warteten. Mal hob die Hand und legte sie flach auf den Kopf über den Augenbrauen. Obwohl zwei Feuer in seinen Augen flammten, sah er ihnen nicht ins Gesicht, sondern blickte auf etwas, das weit weg war jenseits des Wassers. So angespannt und voller Angst war sein Mühen, daß Lok sich umdrehte, um vielleicht herauszufinden, wovor Mal sich fürchtete. Aber nichts war da: nur ein Baumstamm, an irgendeinem buchtenreichen Ufer von der Frühjahrsflut losgerissen, glitt an ihnen vorbei und stürzte hoch aufgerichtet ohne ebnen Laut über die Schwelle des Falls.
    »Ich sehe ein Bild. Das Feuer fliegt fort in den Wald und frißt die Bäume auf.«
    Sein Atem ging rascher, jetzt da er wach war. »Es brennt. Der Wald brennt. Der Berg brennt –«
    Sein Kopf wandte sich vom einen zum anderen. Große Angst sprach aus seiner Stimme. »Wo ist Lok?« »Hier.«
    Mal sah ihn an, verkniff die Augen und zog verwirrt die Brauen zusammen. »Wer ist das? Lok ist auf dem Rücken seiner Mutter, und die Bäume werden aufgefressen.«
    Lok trat vom einen Bein aufs andere und lachte töricht. Die Alte ergriff Mals Hand und legte sie an ihre Wange. »Das ist ein Bild von ganz früher. Das ist vorbei. Du hast es im Schlaf gesehen.«
    Fa klopfte ihm auf die Schulter. Dann blieb ihre Hand auf dem Fell liegen, und ihre Augen öffneten sich weit. Aber sie sprach mit Mal so geduldig, wie sie mit Liku gesprochen haben könnte.
    »Lok steht auf seinen Beinen vor dir. Sieh! Er ist ein Mann.«
    Jetzt verstand Lok, und er fühlte sich wieder frei, und seine sprudelnden Worte galten allen. »Ja, ich bin ein Mann.« Er breitete die Arme aus. »Hier bin ich, Mal.«
    Liku wachte auf, gähnte, und die kleine Oa fiel ihr von der Schulter. Sie drückte sie an ihre Brust. »Ich habe Hunger.«
    Mal wandte sich so schnell um, daß er fast neben Fa zur Seite fiel und sie ihn festhalten mußte. »Wo sind Ha und Nil?«
    »Du hast sie weggeschickt«, sagte Fa. »Holz holen. Und Lok und Liku und ich sollen Nahrung suchen. Wir werden gleich gehen, damit du bald ißt.« Mal wiegte sich hin und her, das Gesicht in die Hände gestützt.
    »Das ist ein schlimmes Bild.«
    Die Alte legte die Arme um ihn. »Jetzt schlaf.« Fa zog Lok vom Feuer fort.
    »Es ist nicht gut, daß Liku mit uns auf die Ebene geht. Sie soll beim Feuer bleiben.« »Mal hat es aber gesagt.« »Er ist krank im Kopf.«
    »Er hat alles brennen sehen. Ich hatte Angst. Wie kann der Berg brennen?« Fas Worte klangen trotzig. »Heute ist wie gestern und morgen.« Ha und Nil mit dem Jungen zwängten sich durch die schmale Stelle von der Terrasse herein. Sie trugen Bündel abgebrochener Äste. Fa lief ihnen entgegen. »Muß Liku mit uns gehen, weil Mal es gesagt hat?« »Das ist etwas Neues. Aber es ist so bestimmt worden.« »Mal hat den Berg brennen sehen.«
    Ha sah zu der im Dunst verschwimmenden Höhe über ihnen auf.
    »Ich kann dieses Bild nicht sehen.« Lok kicherte aufgeregt. »Heute ist wie gestern und morgen.« Ha ruckte mit den Ohren nach ihnen und lächelte ernst. »Es ist so bestimmt worden.«
    Mit einemmal löste sich die unbestimmbare Spannung, und Fa, Lok und Liku liefen schnell die Terrasse entlang. Sie sprangen die Klippe an und begannen hinaufzuklettern. Sobald sie hoch genug waren, um die Wand nebliger Gischt am Fuß des Wasserfalls zu sehen, schlug ihnen auch das Donnern ans Ohr. Als die Klippe ein wenig zurückfiel, kniete Lok auf einem Bein nieder und schrie hinab. »Auf!«
    Das Licht war jetzt heller. Sie sahen den Fluß, der schimmernd in der Gebirgsspalte lag, und die weiten Flächen gefallenen Himmels, wo die Berge den See zurückdrängten. Unter ihnen verbarg der Dunstschleier den Wald und die Ebene und lag ruhig über dem Hang des Berges. Sie eilten nun an der steilen Seite dahin und in den Dunst hinunter. Sie schritten über den nackten Fels, fanden ein Geröll aus zerbrochenen und scharfen Steinen und kletterten seltsame Klüfte hinab, bis sie zu abgerundeten Felsbrocken kamen, bei denen dürftiges Gras wuchs und einige Büsche sich unter dem Wind zur Seite geneigt hatten. Das Gras war feucht, und Spinnennetze, die sich zwischen den Halmen knüpften, blieben an ihren Fesseln haften. Der Boden fiel nicht mehr so steil ab, und es gab immer mehr Büsche. Sie tauchten in den Dunstschleier ein. »Die Sonne wird

Weitere Kostenlose Bücher