Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
Vom Netzwerk:
Spitzohren mit seinem Dornenast. »Viel Nahrung für alle.«
    Er hörte Fa einen dumpfen Laut ausstoßen und sah ungeduldig zu, wie sie an Fell und Gedärm herumriß. »Mach schnell.« »Ich kann nicht.«
    Das bösartige Geknurr der Tiere verstummte, und die beiden Tiere kamen links und rechts in weitem Bogen nähergestrichen. Lok starrte ihnen entgegen, und Schatten glitten über ihn dahin von den zwei großen Vögeln, die in der Luft kreisten. »Trag das Reh zum Felsen.«
    Fa begann an dem Reh zu zerren und schleuderte den Spitzohren einen Schrei des Zorns entgegen. Lok ging langsam zu ihr zurück, bückte sich und faßte das Reh am Bein. Dann zog er die leblos-schwere Last zur Rinne hinüber und hob dabei drohend den Ast. Fa packte ein Vorderbein und zog ebenfalls. Die Tiere folgten ihnen immer gerade außer Reichweite. Sie zerrten das Reh in den schmalen Eingang zur Rinne genau unterhalb von Liku, und die zwei Vögel schwebten herab. Fa begann erneut mit dem Steinsplitter zu schneiden. Lok fand einen Brocken, den er als Hammer benutzen konnte. Er schlug auf das Reh los und brach ihm die Gelenke aus. Fa knurrte vor Aufregung. Lok schnatterte vor sich hin, während seine großen Hände an den Sehnen zogen, drehten und zerrten. Indes liefen die Spitzohren auf und ab. Die Vögel kamen näher und ließen sich auf dem Felsen nieder, Liku gegenüber, so daß diese zu Lok und Fa hinunterrutschte. Das Reh war auseinandergenommen, die Stücke lagen verstreut. Fa schlitzte den Bauch auf, holte den verschlungenen Magen hervor und schüttete das bittere gerupfte Gras und die abgeästen Schößlinge aus. Lok hämmerte auf den Schädel ein, um an das Hirn zu kommen, und zwängte das Maul auf und riß die Zunge ab. Sie füllten den Magen mit Leckerbissen und drehten die Därme zusammen, daß der Magen wie ein schlaffer Beutel dahing. Während der ganzen Zeit murmelte Lok vor sich hin. »Das ist schlimm. Das ist sehr schlimm.« Jetzt da die Gliedmaßen zerschmettert und blutig aus den Gelenken gezerrt waren, hockte sich Liku neben das Reh und aß das Stück Leber, das Fa ihr gegeben hatte. Die Luft zwischen den Felsen war widerwärtig vor Gewalttätigkeit und Schweiß und roch aufdringlich nach Fleisch und ungutem Tun. »Schnell! Schnell!«
    Fa hätte ihm nicht sagen können, was sie fürchtete; die Katze würde nicht zu der Beute zurückkommen, deren Blut sie schon ausgetrunken hatte. Sie war wohl schon einen halben Tag weit weg auf der Ebene, strich um eine Herde herum, setzte vielleicht eben zum Sprung an, um ihre Krallen in den Hals eines neuen Opfers zu schlagen und sein Blut auszusaugen. Aber in der Luft unter den Vögeln hing es wie Finsternis.
    Lok sprach diesen Gedanken von der Finsternis laut aus. »Das ist schlimm. Oa hat das Reh einmal aus ihrem Schoß hervorgebracht.«
    Fas Worte klangen gepreßt, zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus, indes ihre Hände arbeiteten. »Von der sprich nicht —«
    Liku aß immer noch, die Finsternis nicht spürend, aß die kraftspendende warme Leber, bis ihr die Kinnbacken weh taten. Auf Fas Verweis hin plapperte Lok nicht mehr laut, sondern murmelte nur noch vor sich hin. »Das ist schlimm. Aber eine Katze hat dich getötet, es ist also nichts Böses dabei.«
    Und über die breiten, sich bewegenden Lippen rann ihm der Geifer der Eßbegierde.
    Die Sonne hatte den Dunst jetzt aufgesogen, und sie konnten über die Spitzohren hinweg auf die wogende, hügelige Heide der Ebene sehen, und noch weiter entfernt erspähten sie den niedrigeren Kamm der hellgrünen Baumwipfel und das Glitzern des Wassers. Hinter ihnen stieg das Gebirge abweisend steil an. Fa ließ von der Beute ab und holte Luft. Sie rieb sich mit dem Handrücken über die Brauen.
    »Wir müssen hoch hinaufgehen, wo die Gelben uns nicht folgen können.«
    Von dem Reh war wenig mehr übrig als zerrissenes Fell, Knochen und Hufe. Lok reichte Fa seinen Dornenast. Sie schwang ihn durch die Luft und rief den Gelben böse Worte zu. Lok knüpfte die Schenkel mit gewundenem Darm zusammen und schlang die Enden ums Handgelenk, so daß er sie in einer Hand halten konnte. Er bückte sich nieder und nahm das dünne Magenende zwischen die Zähne. Fa hob mit der freien Hand den Rest der Beute auf, und so trugen sie beide schwer an den entbeinten Stücken zitternden Fleisches. Lok machte sich unter drohendem Knurren auf den Rückweg. Die Spitzohren folgten und standen nun im Eingang der Rinne, die Bussarde flatterten auf und kreisten über

Weitere Kostenlose Bücher