Die Erben
den Nebel forttrinken.« Fa kümmerte dies nicht. Sie spürte mit vorgeneigtem Kopf voran, so daß ihre Wangenlocken die Wassertropfen von den Blättern streiften. Ein Vogel schrie und schwang sich flatternd in die Lüfte. Fa fiel über das Nest her, und Liku schlug mit den Füßen wider Loks Leib. »Eier! Eier!«
Sie glitt von seinem Rücken und hüpfte zwischen den Grasbüscheln umher. Fa brach an einem Busch einen Dorn ab und durchbohrte das Ei an beiden Enden. Liku nahm es ihr aus der Hand und begann geräuschvoll zu saugen. Es war noch ein Ei da für Fa und eines für Lok. Alle drei waren im Nu ausgetrunken. Jetzt erst spürten sie, wie hungrig sie waren, und begannen eifrig zu suchen. Sie gingen vornübergebeugt witternd weiter. Obwohl sie nicht aufsahen, wußten sie, daß sie dem zurückweichenden Nebel abwärts auf das ebene Land folgten und daß zum Meer hin in der stumpfen Helle sich die ersten Sonnenstrahlen verbargen. Sie bogen Blätter zur Seite und spähten in Büsche, sie fanden die noch schlafenden Larven und Maden und die bleichen Triebe, die unter Steinen lagen. Während sie sich mühten und aßen, beschwichtigte Fa ihre Besorgnis.
»Ha und Nil werden ein wenig Nahrung aus dem Wald mitbringen.«
Lok fand Maden, saftige, kraftspendende Leckerbissen. »Wir können nicht mit einer einzigen Made zurückkommen. Und zurück. Und dann wieder nur eine einzige Made.« Da kamen sie auf eine Lichtung. Ein Stein war vom Berg herabgestürzt und hatte einen anderen von seiner Stelle bewegt. Die Fläche bloßer Erde war reich an dicken Schößlingen, die sich emporgeschafft hatten, aber so kurz und prall waren, daß sie unter der Berührung abbrachen. Nebeneinander aßen sie sich zur Mitte der Fläche durch. So reichlich gab es zu essen, daß sie dabei kurze Freudenrufe ausstießen; so ausgiebig war das Mahl, daß sie sich für eine Weile nicht mehr ausgehungert, sondern nur noch hungrig fühlten. Liku sagte gar nichts. Sie saß mit ausgestreckten Beinen am Boden und aß mit beiden Händen.
Da machte Lok mit den Armen eine ausholende Bewegung.
»Wenn wir an diesem Teil der Fläche hier essen, können wir die anderen da drüben essen lassen.« Fa sprach unter Kauen.
»Mal wird nicht kommen, und sie wird ihn nicht allein lassen. Wir gehen noch einmal hierher zurück, wenn die Sonne auf der anderen Seite des Berges ist. Wir bringen den anderen mit, was wir tragen können.« Lok rülpste und neigte sich mit liebevollem Blick über die fruchtbare Stelle. »Dies ist ein guter Ort.«
Fa zog die Brauen zusammen und kaute laut auf beiden Backen.
»Wenn er näher wäre –«
Sie schluckte, was sie im Munde hatte, auf einmal hinunter.
»Ich sehe ein Bild. Die gute Nahrung wächst. Nicht hier. Sie wächst beim Wasserfall.« Lok lachte sie aus.
»Pflanzen wie diese wachsen nicht beim Wasserfall!« Fa nahm die Hände weit auseinander und sah Lok unverwandt an. Dann tat sie sie langsam wieder zusammen. Aber obwohl die Neigung ihres Kopfes und die fast unmerklich auf- und abgehenden Brauen eine Frage stellten, hatte sie keine Worte, um sie auszudrücken. Sie versuchte es erneut.
»Aber wenn – hier, sieh dieses Bild: Die Höhle und das Feuer sind hier unten –« Lok sah vom Essen auf und lachte.
»Dieser Ort ist hier, und die Höhle und das Feuer sind dort.«
Er fuhr fort, Schößlinge abzubrechen und sie in den Mund zu stopfen. Er blickte in das heller gewordene Sonnenlicht und las die Zeichen des Tages. Da vergaß Fa ihr Bild und stand auf. Lok erhob sich ebenfalls und sagte: »Komm!«
Sie tappten an Felsen und Büschen abwärts. Auf einmal brach die Sonne durch, ein Rund aus stumpfem Silber, das schräg durch die Wolken jagte und doch immer am gleichen Fleck blieb. Voran ging Lok, ihm folgte Liku, ernsthaft und voll gespannter Aufmerksamkeit bei dieser ihrer ersten richtigen Nahrungssuche. Der Hang fiel immer flacher ab, und sie gelangten zu der klippenähnlichen Abgrenzung, hinter der sich das Heidemeer der Ebene dahinwelke. Lok hielt inne, und die anderen hinter ihm blieben stehen. Er wandte sich um, blickte Fa eine Frage zu und hob wieder den Kopf. Dann ließ er plötzlich die Luft durch die Nase ausströmen und atmete ein. Vorsichtig prüfte er diese Luft, zog einen Teil in die Nasenflügel ein und behielt ihn dort, bis er sich erwärmt hatte und die Witterung greifbar war. Er vollbrachte Wunder an Witterungsaufnahme in seiner Nasenhöhle. Der Geruch war nur eine Andeutung seiner selbst. Wenn Lok
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