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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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anderen sah, den er roch und den er hörte. Er rannte ziellos auf der Lichtung umher und schrie so laut er konnte. Da drang der Geruch des anderen zu ihm auf von der feuchten Erde, und er folgte ihm vom Fluß weg zum Hang den Berg hinauf. Er folgte ihm gebückt, spürte hin und her, und oben strahlte der Mond. Die Geruchsspur führte im Bogen vom Fluß fort unter die Bäume und zu dem Felsenmeer und dem Gebüsch. Hier konnte Gefahr drohen, Katzen oder Wölfe oder gar große Füchse, die so rot waren wie Lok und die der Hunger im frühen Jahr wild machte. Aber die Fährte des anderen verlief ungestört, eine Tierspur kreuzte sie nicht einmal. Sie hielt sich fern von dem Pfad, der zur Höhlennische anstieg, und zog die Betten von Felsenrinnen den steileren Hängen zur Seite vor. Hier und dort hatte der andere verhalten, mit nach rückwärts gestellten Füßen, hatte unerklärlich lang verhalten. Einmal, an einer glatten, steilen Stelle, war er mehr Schritte zurückgegangen, als die Hand Finger hatte. Er war wieder umgekehrt, hatte versucht, die Felsspalte hinaufzuspringen, und seine Füße hatten Erde aufgewühlt oder vielmehr herausgedrückt, wo immer sie aufgetroffen waren. Er hatte wieder gerastet, war seitwärts die Wand der Rinne hinaufgeklettert und hatte eine Weile oben am Rand gelegen. In Loks Kopf fügte sich von dem anderen ein Bild zusammen, nicht aus Erwägungen der Vernunft, sondern weil überall die Witterung ihm befahl: Tu dies! So wie er bei dem Geruch von Katze an katzenhaften Schleichgang und böses Knurren dachte, so wie die Gefährten beim Anblick des aufwärts stolpernden Mal in das gleiche Schwanken verfallen waren, so machte nun die Geruchsspur Lok zu dem anderen, dem Wesen, das vor ihm dort gegangen war. Er lernte mit jedem Schritt den anderen besser kennen, ohne zu wissen, wieso es kam, daß er um ihn wußte. Er ward der andere, und dieser andere, neue Lok neigte sich über die Kante der Klippe und spähte über die Felsen des Berges. Er schleuderte sich nach vorn und eilte mit gebeugten Beinen und gekrümmtem Rücken dahin. Er warf sich in den Schatten eines Felsens, knurrte und verhielt. Er schlich vorsichtig weiter, ging auf Händen und Knien, kroch langsam vorwärts und blickte über den Rand der Klippe in die Schlucht und auf den Fluß.
    Er sah hinunter zur Höhlennische. Der Fels sprang vor, und er konnte keinen der Gefährten sehen; aber hinter dem Fels heraus tanzte ein Halbrund rötlichen Lichts über die Terrasse, ward immer blasser und vermischte sich dann mit dem Mondlicht. Dünner Rauch stieg auf und trieb durch die Schlucht davon. Der verwandelte Lok kroch von Sims zu Sims am Felsen hinunter. Je näher er der Höhlennische kam, desto langsamer bewegte er sich, und sein Körper klebte ganz dicht am Gestein. Er schob sich vorwärts, beugte sich vor und sah hinab. Sogleich blendete ihn eine Flammenzunge vom Feuer; er war wieder Lok, war wieder geborgen bei den Gefährten, und der andere war fort. Lok rührte sich nicht, sah bestürzt auf die Erde und die Steine und die sichere, schützende Terrasse. Fa sprach gerade unter ihm. Es waren seltsame Worte, und er fand in ihnen keinen Sinn. Dann tauchte sie auf, mit einem Bündel auf dem Arm, und tappte die Terrasse entlang der schwachen Andeutung eines Pfads entgegen, der zu den Eisfrauen hinaufführte. Die Alte kam heraus, sah ihr nach, verschwand dann wieder unter dem Felsen. Lok hörte Holz knacken, dann schwamm ein Funkenschauer vor seinem Gesicht hoch, und der Feuerschein auf der Terrasse dehnte sich aus und begann zu zucken.
    Lok beugte sich zurück und stand langsam auf. Sein Kopf war leer. Er sah keine Bilder mehr. Auf der Terrasse draußen hatte Fa den flachen Fels und die ebene Erde hinter sich gelassen und kletterte jetzt den Berg hinan. Die Alte trat aus der Höhlennische, lief zum Fluß hinunter und brachte Wasser in ihren hohlen Händen. Sie war Lok so nahe, daß er die Tropfen sah, die ihr von den Händen fielen, und das Feuer, das sich flackernd in ihren Augen spiegelte. Der Fels verbarg sie wieder, und er wußte, daß sie ihn nicht gesehen hatte. Dieses Erkennen befiel ihn wie eine jähe, große Furcht. Die Alte wußte so viel: und doch hatte sie ihn nicht gesehen! Er kam sich abgeschnitten vor, er gehörte nicht mehr zu den Gefährten. Hatte seine Verbindung mit dem anderen ihn verwandelt, daß er ihnen fremd geworden war und sie ihn nicht mehr sehen konnten? Er besaß nicht die Worte, um diesem Gedanken Form zu geben,

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