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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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deutete der Alten ins Gesicht.
    »Das ist ein Bild: jemand ist – der andere. Keiner von den Gefährten. Er sagt zu Ha: ›Komm! Hier ist mehr Nahrung, als ich essen kann‹. Dann sagt Ha –« Ihre Stimme erstarb. Nil begann vor sich hinzuwimmern. »Wo ist Ha?« Die Alte antwortete. »Ha ist mit dem anderen fortgegangen.« Lok packte Nil und schüttelte sie ein wenig. »Sie haben Worte gewechselt oder sich ein Bild mitgeteilt. Ha wird es uns sagen, und ich werde ihm nachgehen.« Er blickte in die Runde. »Gefährten verstehen einander doch!« Die anderen bedachten dies und nickten zustimmend mit den Köpfen.
    Liku erwachte und lächelte alle an. Die Alte machte sich in der Höhlennische zu schaffen. Sie und Fa murmelten hin und her, verglichen Fleischstücke miteinander, wiegten Knochen in der Hand und traten wieder auf den Magen zu und beratschlagten. Nil saß unter Tränen daneben und aß mit selbsttätiger, lustloser Beharrlichkeit. Das Junge kletterte ihr langsam über die Schulter. Es zögerte einen Augenblick, sah in das Feuer und verkroch sich dann wieder in ihrem Haar. Da blickte die Alte Lok verstohlen an, daß sogar das wirre Bild von Ha und einem anderen in seinem Kopf verblaßte und er von einem Bein aufs andere trat. Liku hüpfte auf den Magen zu und verbrannte sich die Finger. Die Alte hielt weiter den Blick auf ihn gerichtet, und schließlich schnüffelte Nil und redete ihn an.
    »Siehst du ein Bild von Ha? Ein wahres Bild?« Die Alte hob den Dornenast auf und reichte ihn Lok. Sie war wie Feuer und Mondlicht zusammen, und Lok wurde von seinen Füßen zur Höhle hinausgetragen. »Ich sehe ein wahres Bild.«
    Fa gab ihm schnell zu essen von dem Magen, Nahrung, die so heiß war, daß er sie von einer Hand in die andere werfen mußte. Er sah die Gefährten zweifelnd an und schlenderte der Ecke zu. Außerhalb des Feuerscheins war alles schwarz und silbern, schwarz die Insel, die Felsen und die scharf sich vom Himmel abhebenden Bäume, silbern der Fluß mit einem blitzenden, hin- und herwellenden Licht dort, wo er über den Sims stürzte. Auf einmal war die Nacht sehr einsam, und das Bild von Ha wollte nicht mehr zurückkommen. Er spähte zur Höhlennische hinüber, um es wiederzufinden. Die Nische war eine lichtflackernde Einbuchtung in der Klippe über der Terrasse, und darunter war eine gebogene schwarze Linie, wo der Boden anstieg und das Feuer seinen Blicken entzog. Er sah Fa und die Alte nebeneinanderhocken, und sie hielten Fleischbrocken in den Händen. Er schlich um das Felseck herum außer Sicht, und die Stimme des Wasserfalls schwoll ihm entgegen. Er legte seinen Ast hin und ging in die Hocke, um sein Fleisch zu essen. Es war zart und heiß und gut. Er verspürte nicht mehr den verzweifelten Schmerz des Hungers, sondern nur noch Geschmackslust, so daß er das Fleisch genießen konnte und es nicht hinunterzuschlingen brauchte. Er hielt es dicht vor die Augen und blickte prüfend über die bleiche Oberfläche, auf der das Mondlicht glatter lag als auf dem Wasser. Er vergaß die Höhlennische und Ha. Er wurde Bauch, Loks Bauch. Wie er so über dem donnernden Fall saß mit den verschwommenen Strecken wasserdurchzogenen Waldes vor Augen, erglänzte sein Gesicht vor Fett und sorglosem Glücksgefühl. Die Nacht war kälter als die vorangegangene, doch kam ihm ein solcher Vergleich nicht zum Bewußtsein. Ein diamantenes Glitzern war im Dunstschleier des Wasserfalls, das nur von der Helligkeit des Mondes herrührte, aber wie Eis aussah. Der Wind hatte sich gelegt, und einzig bewegten sich die hängenden Farne, an denen das Wasser riß. Er sah leeren Blicks auf die Insel und lebte nur der Süße auf seiner Zunge, dem schmatzenden Kauen und der frischen Straffheit seines Fells.
    Endlich war das Fleisch gegessen. Er wischte sich mit den Händen über das Gesicht und stocherte sich mit einer Spitze eines Astes die Zähne sauber. Ha fiel ihm wieder ein und die Höhlennische und die Alte, und er stand geschwind auf. Er ließ seine Nase spüren, bückte sich zur Seite und schnupperte die Felsen entlang. Viele Witterungen gingen hier durcheinander, und seine Nase schien nicht geschickt zu sein. Er wußte, woher das kam, und ließ sich kopfüber hinunterhängen, bis er mit den Lippen Wasser berührte. Er trank und spülte dann den Mund aus. Er kletterte wieder zurück und kniete über dem verwitterten Gestein. Regen hatte es geglättet, doch der enge Eingang bei der Ecke war von ungezählten Gefährten vor Loks

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