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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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aber er empfand seine Verschiedenheit von den Gefährten und seine Unsichtbarkeit wie einen kalten Wind, der ihm über das Fell strich. Der andere hatte an den Banden gezerrt, die ihn an Fa und Mal und Liku und die übrigen fesselten. Die Bande waren nicht Zugabe des Lebens, sie waren sein Wesen. Rissen sie, mußte man sterben. Mit einemmal verlangte ihn machtvoll danach, einem der Gefährten in die Augen zu sehen und von ihm erkannt, anerkannt zu werden. Er wandte sich um, eilte von Sims zu Sims hinab und sprang auf die Höhlennische zu; doch hier fand er wieder den Geruch des anderen. Jetzt da er kein böser Teil seiner, Loks selbst mehr war, zog ihn seine Fremdartigkeit, seine Lockung gebieterisch an. Er verfolgte die Spur an den Vorsprüngen oberhalb der Terrasse entlang, bis sie an die Stelle führte, wo die Terrasse im Wasser auslief und über ihm der Weg zu den Eisfrauen begann. Das Felsgewirr der Insel schwang hier in weitem Bogen herüber, endete wenige Körperlängen vom dieseitigen Ufer und brach die Strömung des Flusses. Die Geruchsspur führte zum Wasser hinab, und Lok folgte ihr. Dann blieb er stehen, und ihn schauderte ein wenig vor der Einsamkeit des Wassers, und er blickte auf den vordersten Felsen in der geschwungenen Kette. Ein Bild begann sich in seinem Kopf zusammenzusetzen, und das handelte von dem Sprung, der die Schlucht überwunden und den anderen auf den Felsen geschleudert hatte und dann immer weiter Sprung für Sprung über das tödliche Wasser zur dunklen Insel hinüber. Der Mond hatte sich hinter den Felsen gefangen und ließ ihre Umrisse scharf hervortreten. Während er noch schaute, nahm einer der weiter entfernten Felsen neue Gestalt an. Auf der einen Seite wurde ein kleiner Höcker immer länger und verschwand dann ganz plötzlich. Die Oberseite des Felsens schwoll an, der Auswuchs brach unten ab, wurde wieder länger, schrumpfte dann auf die halbe Höhe zusammen. Dann war er fort.
    Lok stand da und ließ die Bilder in seinem Kopf kommen und gehen. Eines dabei war das von einem Bären, den er einmal zwischen den Felsen sich hatte aufrecken sehen und der dann gebrüllt hatte wie das Meer. Lok wußte nicht viel mehr von dem Bären, als daß die Gefährten, nachdem er gebrüllt hatte, fast einen ganzen Tag lang fortgeeilt waren. Dieses Ding da, diese schwarze Form, die sich veränderte, hatte etwas von der langsamen Bewegung des Bären an sich. Er kniff die Augen zusammen und spähte nach dem Felsen, um zu sehen, ob er nochmals seine Gestalt wechselte. Auf der Insel stand eine einzelne Birke, die alle anderen Bäume überragte und sich jetzt dunkel vom mondgetränkten Himmel abhob. Sie war unten am Stamm sehr dick, ungebührlich dick; sie konnte gar nicht so dick sein, dünkte ihn, als er genauer hinsah. Das Gebilde klumpigen Dunkels schien um den Stamm herum zu gerinnen wie ein Blutstropfen am Ende eines Hölzchens. Es wurde länger und wieder dicker und wieder länger. Es kroch am Baum hoch mit der Bedächtigkeit eines Faultiers, hing in der Luft hoch über der Insel und dem Wasserfall. Es bewegte sich ohne Laut und blieb dann reglos hängen. Lok schrie so laut er konnte; aber entweder war das Wesen taub oder der tosende Fall verschlang seine Worte. »Wo ist Ha?«
    Das Wesen rührte sich nicht. Ein Windhauch strich durch die Schlucht, und der Wipfel der Birke schwankte mit der schwarzen Masse in weitem, schwerem Bogen. Die Haare sträubten sich auf Loks Körper, und wieder wollten ihn die Berge mit ihrem Drohen anfallen. Es verlangte ihn nach der schützenden Gegenwart von seinesgleichen, doch da fiel ihm die Alte ein und daß sie ihn nicht gesehen hatte, und die Höhlennische lockte ihn nicht mehr. Er verharrte deshalb, während der Klumpen sich von der Birke herabschwang und in die gestaltlosen Schatten eintauchte, aus denen jener Teil der Insel bestand. Dann kam der Klumpen wieder zum Vorschein und nahm über dem hintersten Felsen erneut andere Form an. Von Entsetzen gepackt kroch Lok über den mondbeschienenen Hang. Ehe er noch ein klares Bild in seinem Kopf sah, kletterte er den kaum erkennbaren Pfad hinauf, den Fa gegangen war. Als er sich so hoch über dem Wasser der Schlucht befand, wie ein Baum groß wird, verhielt er und blickte hinab. Das Wesen wurde einen Augenblick lang sichtbar, als es von Fels zu Fels sprang. Lok erbebte und begann wieder zu klettern.
    Dieser Fels neigte sich nicht zurück; er ragte empor, wurde immer steiler und fiel stellenweise senkrecht ab. Er kam

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