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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Stein stützen, bis sie ein wenig nachgab. Die Alte hielt ihm einen scharfen Knochensplitter von dem Reh hin, und er merkte, daß er damit den Boden viel leichter aufbrechen konnte. Darunter war die Erde weicher. Die oberste Lage hob sich wie Schiefer ab, doch die nächste Schicht zerbröckelte in seinen Händen und er konnte sie mit dem Stein herauskratzen. So grub er, während der Mond dahinzog. Ein Bild erstand in seinem Kopf, ein Bild von einem jüngeren, stärkeren Mal, der die gleiche Handlung verrichtete, nur auf der anderen Seite des Herdfeuers. Die Tonunterlage wölbte sich auf der einen Seite des unregelmäßig geformten Loches, an dem er arbeitete. Bald stieß er darunter auf einen weiteren Herd und dann auf noch einen. Da lag ein Brocken gebrannten Lehms. Jede Herdstelle schien dünner zu sein als die darüberliegende; schließlich, als er immer tiefer grub, waren die Schichten steinhart und nicht viel dicker als Birkenrinde. Das Junge hörte auf zu trinken, gähnte und krabbelte zu Boden. Es packte Mal am Bein, zog sich hoch, beugte sich vor und starrte mit hellen Augen ohne zu blinzeln ins Feuer. Dann sprang es zurück, huschte um Mal herum und untersuchte das Loch. Es bekam das Übergewicht, fiel hinein und zappelte in der weichen Erde neben Loks Händen. Es zog sich rückwärts heraus, flüchtete zu Nil und kroch in ihren Schoß.
    Lok richtete sich keuchend auf. Der Schweiß rann ihm am ganzen Leib herunter. Die Alte berührte ihn am Arm. »Grab! Es ist nur Lok da!«
    Müde machte er sich wieder an das Loch. Er riß einen alten Knochen heraus und schleuderte ihn weit ins Mondlicht hinein. Er ruckte abermals an dem Stein, dann fiel er vornüber. »Ich kann nicht!«
    Da nahmen die Frauen Steine und gruben, obwohl das ein neues Ding war. Liku sah ihnen schweigend zu, während das Loch tiefer und dunkler wurde. Mal begann zu zittern. Die Lehmsäule der Herdstellen wurde schmaler, je weiter sie gruben. Sie wurzelte ganz unten in einer vergessenen Tiefe der Höhlennische. Mit jeder Lehmschicht konnten sie die Erde leichter ausheben. Es wurde langsam schwierig, die Wände gerade zu machen. Sie stießen auf vertrocknete Knochen ohne Witterung, Knochen, die so lange vom Leben geschieden waren, daß sie ihnen nichts mehr bedeuteten und beiseite geworfen wurden, Knochen von Beinen, von Rippen, die zertrümmerte, geöffnete Schale eines Kopfes. Es waren auch Steine dabei, zum Teil mit Kanten, die schnitten, oder mit Spitzen, die bohrten, und diese benutzten sie wohl für eine Weile, wenn sie nützlich waren, behielten sie aber nicht. Die ausgegrabene Erde wuchs zu einem Berg neben dem Loch an, und kleine Lawinen brauner Krumen rannen zurück, während sie neue Erde Handvoll um Handvoll ausgruben. Knochen lagen über den Berg verstreut. Liku spielte müßig mit dem Knochen eines Kopfes. Da hatte sich Lok wieder erholt und grub mit, so daß das Loch schneller in die Tiefe ging. Die Alte fachte das Feuer wieder an, und der Morgen stand grau jenseits der Flammen.
    Schließlich war das Loch fertig. Die Frauen gossen Mal erneut Wasser über das Gesicht. Er war jetzt Haut und Knochen. Sein Mund stand weit auf, als wolle er die Luft beißen, die er nicht atmen konnte. Sie knieten im Halbkreis um ihn nieder. Die Alte zog mit den Augen ihrer aller Blicke auf sich.
    »Als Mal stark war, hat er viel Nahrung gefunden.« Liku hockte an der Rückwand der Höhlennische am Felsen und drückte die kleine Oa an die Brust. Das Junge schlief unter Nils Haar. Mals Finger bewegten sich unablässig, und sein Mund ging auf und zu. Fa und die Alte hoben seinen Oberkörper an und hielten seinen Kopf. Die Alte sprach ihm leise ins Ohr. »Oa ist warm. Schlaf.«
    Die Bewegungen seines Körpers steigerten sich jetzt zum Krampf. Dann rollte sein Kopf zur Seite, der Alten auf die Brust, und blieb dort ruhen.
    Nil begann zu wehklagen. Der Laut erfüllte die Höhlennische, wellte hinaus über das Wasser auf die Insel zu. Die Alte ließ Mal auf die Seite hinabgleiten und faltete ihm die Beine an die Brust. Sie und Fa hoben ihn auf und legten ihn langsam in das Loch. Die Alte schob ihm seine Hände unter das Gesicht und sah, daß er zusammengefallen war. Sie richtete sich auf, und ihr Gesicht war ausdruckslos. Sie ging zu einer Vertiefung in der Wand und holte eines der Fleischstücke. Sie kniete nieder und legte es in das Loch neben sein Gesicht. »Iß, Mal, wenn du Hunger hast.«
    Sie hieß mit den Augen die

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