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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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war, jemand so dunkel wie die Zweige. Lok schüttelte den Wipfel der Birke. »He, Mann!«
    Das Feuer blinzelte zweimal. Bei diesem Hin- und Hergehen kam Lok plötzlich die Erkenntnis, daß mehr als einer auf der Insel war. Die zu Kopf steigende Erregung der Geruchspur fiel ihn wieder an. Er schüttelte den Baumwipfel, als wolle er ihn abbrechen. »He! Neue Gefährten!«
    Eine große Kraft strömte ihm zu. Er hätte über das unsichtbare Wasser zu ihnen hinüberfliegen können. Er wagte halsbrecherische Kunststücke in den dünnen Zweigen des Birkenwipfels und schrie dann so laut er konnte. »Neue Gefährten! Neue Gefährten!« Plötzlich erstarrte er in den wiegenden Zweigen. Die Neuen hatten ihn gehört! Er konnte an dem Blinzeln des Feuers und am Schütteln der dichten Büsche erkennen, daß sie sich gleich zeigen würden. Das Feuer blinkte erneut, aber eine Spur begann sich durch den grünen Schleier vorzuwogen und zum Fluß hinauszuwiegen. Er hörte Äste knacken. Er beugte sich vor.
    Dann war nichts mehr. Der grüne Schleier beruhigte sich und ging nur noch stet unter dem Wind auf und nieder. Das Feuer blinzelte.
    So reglos verharrte Lok, daß er das Lärmen des Falls vernehmen konnte, donnernd, ohne Ende. Der Griff, der seine Sinne an die neuen Gefährten band, begann sich zu lockern. Andere Bilder fielen ihm ein. »Neue Gefährten! Wo ist Ha?«
    Ein Gischt Grüns erbebte unten am Uferrand. Lok blickte scharf hin. Er folgte den verschwommen erkennbaren Zweigen bis zum Hauptast und kniff die Haut in seinen Augenhöhlen zusammen. Ein Vorderarm war da, oder vielleicht ein Oberarm über einem Ast, und er war dunkel und haarig. Die grüne Gischt erbebte wieder, und der dunkle Arm verschwand. Lok schaute sich das Wasser aus den Augen. Ein neues Bild von Ha auf der Insel erstand ihm, Ha mit einem Bären, Ha in Gefahr. »Ha! Wo bist du?«
    Das Gebüsch am anderen Ufer flatterte und wirbelte. Die Spur einer Bewegung war zu erkennen, die schnell vom Ufer zurück unter die Bäume führte. Das Feuer blinkte abermals. Dann verschwanden die Flammen, und eine große Wolke weißen Rauchs schoß durch das Grün empor; der untere Teil wurde immer dünner, verflog, und die weiße Wolke schwamm langsam hoch und kehrte das Innere nach außen. Lok beugte sich verblüfft zur Seite, als wolle er um die Bäume und Büsche herumsehen. Panik erfaßte ihn. Er schwang sich die Äste hinunter, bis er den nächsten Baum flußabwärts sah. Er sprang einen Ast an, war oben und flitzte wie ein Eichhörnchen von Baum zu Baum. Dann eilte er wieder einen Stamm hinauf, bog Zweige zur Seite und spähte hinab. Das Tosen des Falls klang jetzt ein wenig dumpfer, und er konnte die Gischtsäulen erkennen. Sie brauten über den oberen Teil der Insel hin, so daß die Bäume verdeckt waren. Sein Blick glitt die Insel hinunter bis zu der Stelle, an der sich das Gebüsch bewegt und das Feuer geblinzelt hatte. Er erkannte jetzt, wenn auch nur undeutlich, einen freien Raum zwischen den Stämmen. Der Rauchdunst von dem toten Feuer hing noch darüber und zerfloß langsam. Von den anderen zeigte sich niemand, doch er konnte sehen, wo das Gebüsch durchbrochen und eine Bahn Erde aufgewühlt worden war zwischen dem Ufer und der Lichtung. Am rückwärtigen Ende dieser Bahn hatten sich Baumstämme versammelt, riesige, tote Dinger mit dem Moder von Jahren daran. Er spähte über diese Stämme hin, sein Mund stand offen, und er hielt die freie Hand flach auf den Kopf gepreßt. Warum trugen die anderen all diese Nahrung – er konnte die bleichen Schwämme deutlich über den Fluß hinweg erkennen – und das nutzlose Holz mit sich herum? Sie waren gewiß Gefährten ohne Bilder in ihren Köpfen. Dann sah er, daß auf der Erde ein schmutziger Fleck war, wo das Feuer gebrannt hatte, und Stämme so groß wie jene, die er zuerst gesehen, hatte man für das Feuer benutzt. Da wogte urplötzlich Angst in ihm hoch, eine Angst so gebieterisch und unsinnig wie die Mals, als er in seinem Traum den Wald hatte brennen sehen. Und weil er einer der Gefährten war, mit zahllosen unsichtbaren Banden an sie geknüpft, galt seine Angst den Gefährten. Er erbebte. Die Lippen krampften sich von den Zähnen, sein Blick trübte sich. Als er schrie, hörte er seine Stimme durch ein Brausen in seinen Ohren klingen.
    »Ha! Wo bist du? Wo bist du?«
    Auf der Insel rannte eine dickbeinige Gestalt tappend über die Lichtung und verschwand. Das Feuer blieb tot; durch die Büsche kämmte ein Brise vom

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