Die Erben
Knochen, und zähes, braunes Zeug klebte in den Krümmungen. Seine Nase untersuchte dieses Zeug und mochte es nicht leiden. Er roch an dem Schaft des Zweiges entlang. Die Blätter des Zweigs waren rote Federn und gemahnten ihn an Gans. Grenzenlose Verwunderung und Erregung schlugen über ihm zusammen wie Wasserwellen. Er rief das grüne Gewoge über dem Fluß an und hörte Likus Schrei ihm antworten, vermochte aber keine Worte zu erfassen. Sie wurden plötzlich abgeschnitten, als ob jemand ihr den Mund zugehalten hätte. Er stürmte bis zum Wasser vor und ging wieder zurück. Zu beiden Seiten der freien Uferböschung wuchsen dichte Büsche im Flutwasser; sie wateten weit hinaus, bis sich ganz draußen ein Teil der Blätter noch unter dem Wasser öffnete; und diese Büsche neigten sich vor.
Die Erinnerung an Likus Stimme in seinem Kopf schickte ihn zitternd auf diesen gefährlichen Weg, über die Büsche der Insel entgegen. Er stürzte auf die Stelle zu, an der die Hecken eigentlich trockenem Land hätten entwachsen sollen, und seine Füße patschten. Er warf sich nach vorn und griff mit Händen und Füßen nach den Ästen. Er rief: »Ich komme!«
Halb liegend, halb kriechend bewegte er sich mit angstverzerrtem Gesicht auf den Fluß hinaus. Er sah das nasse Wasser unter sich, geheimnisvoll, und überall von dunklen, gebogenen Stämmchen durchstoßen. Kein Ast vermochte sein ganzes Gewicht zu tragen. Er mußte es nicht nur auf alle seine Glieder verteilen, sondern immer an zwei Plätzen zugleich sein, sich immer hin und her wälzen im Rhythmus der nachgebenden Zweige. Das Wasser unter ihm dunkelte. Kräusel wellten über die Oberfläche hinter jedem Ast, Tang verfing sich und wehte ungleichmäßig längelang im Wasser, Sonnenflecke blitzten ihn von oben und unten an. Er kam zu dem letzten der großen Büsche, der halb versunken war und sich über das Flußbett selbst neigte. Einen Augenblick lang sah er eine Fläche Wassers und ein Stück Insel. Er gewahrte flüchtig die Gischtsäulen am Fall, sah das Felsgestein der Klippe. Dann begannen, da er sich nicht mehr herumwälzte, die Zweige unter ihm nachzugeben. Sie schwangen nach außen und abwärts, so daß sein Kopf tiefer hing als seine Füße. Er sank und schnatterte mit den Zähnen, und das Wasser stieg mit einem Lok-Gesicht zu ihm hoch. Licht zitterte über das Lok-Gesicht, aber er konnte die Zähne erkennen. Unter den Zähnen flatterte ein Tangzopf vor und zurück, über eine größere Spanne, als ein Mann groß war. Aber alles andere unter den Zähnen und den Kräuselwellen war fern und dunkel. Eine Brise strich den Fluß entlang, und die Büsche wiegten sich sanft. Seine Hände und Füße klammerten sich selbständig unter Schmerzen an, und jeder Muskel seines Körpers wurde zu einem verkrampften Knoten. Er war nicht länger mehr der alten und nicht mehr der neuen Gefährten eingedenk. Er erfuhr Lok, erlitt Lok; erfuhr sich selbst, mit dem Kopf nach unten über tiefem Wasser schwebend und mit nur einem schwachen Zweig als Stütze.
Nie zuvor war Lok der Mitte des Flusses so nahe gewesen. Eine Haut war auf dem Wasser, und unter der Haut stiegen Flecke dunklen Zeugs an die Oberfläche, wirbelten und wirbelten um sich selbst, schwammen im Kreis oder versanken dem Blick. Steine gab es da unten, die grünlich schimmerten und im Wasser zitterten. Regelmäßig verbarg sie der Tangzopf und gab sie wieder frei. Die Brise erstarb; die Büsche bogen und reckten sich rhythmisch, so daß die glänzende Haut unter seinem Gesicht auf und nieder stieg. Alle Bilder waren seinem Kopf entflogen. Sogar die Angst schmerzte nur noch dumpf wie der Hunger. Jede Hand, jeder Fuß umklammerte unverwandt eine Zweiggarbe, und. die Zähne bleckten das Wasser an.
Der Tangzopf wurde kürzer. Die grüne Spitze entschwamm flußaufwärts. Ein Dunkel verzehrte das andere Ende. Das Dunkel wurde zu einem Ding vielfältiger Gestalt, träger, traumhafter Bewegung. Wie die Schmutzflecke kehrte es sich ganz langsam um und um, aber nicht ziellos. Es stieß wider die Wurzel des Tangschweifs, knickte den Zopf, drehte sich, wälzte Lok den Zopf entgegen. Die Arme machten eine leise Bewegung, und die Augen glänzten stumpf wie die Steine. Sie drehten sich mit dem Körper herum, starrten zur Oberfläche, auf die Weite tiefen Wassers, auf den verborgenen Grund, ohne eine Spur Lebens oder Sinnens. Eine Tangsträhne glitt über das Gesicht und die Augen blinzelten nicht. Der Körper wälzte sich mit der
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