Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
Vom Netzwerk:
Boden auf der Lichtung war zerwühlt wie von den Hufen einer ganzen Viehherde. Lok schlich bis zum Rand der Lichtung, während Fa zurückblieb. Er begann in großem Bogen näherzukriechen. In der Mitte der Lichtung waren die Bilder und die Gaben.
    Als Fa diese sah, verbarg sie sich hinter Lok, und sie tappten vorsichtig in immer engeren Windungen gleich den Windungen einer Schneckenmuschel herzu und lauschten dabei, ob die anderen zurückkämen. Die Bilder lagen durcheinander beim Feuer, wo der Hirschkopf Lok immer noch mit undurchdringlichem Blick anstarrte. Ein neuer Hirsch war jetzt da, frühlingsfarben und dick, aber eine andere Gestalt lag darüber. Diese Gestalt war rot, mit riesigen ausgebreiteten Armen und Beinen, und das Gesicht stierte zu ihnen auf, denn die Augen waren weiße Kiesel. Das Haar stand rings vom Kopf ab, als sei die Gestalt gerade bei einer wilden, grausamen Handlung begriffen, und ein am herausragenden Ende splittriges, stumpfgehauenes Holzstück stak in der Gestalt, ging durch sie hindurch und pflockte sie an den Hirsch. Sie schauderten davor zurück, denn sie hatten seinesgleichen noch nie gesehen. Dann wandten sie sich wieder scheu den Gaben zu. Eine ganze Hirschkeule hing von dem Holzstück herab, roh, aber ziemlich ausgeblutet, und ein geöffneter Stein mit Honigtrank stand bei dem stierenden Kopf. Ihm entstieg der Honiggeruch gleich Rauch und Flammen eines Feuers. Fa streckte die Hand aus und berührte das Fleisch, welches zu baumeln begann, daß die Hand zurückfuhr. Lok schlug erneut einen Bogen um die Gestalt, seine Füße hatten acht vor den ausgestreckten Gliedmaßen, während seine Hand sich langsam vorreckte. Und dann zerrten und rissen sie an der Gabe, zerfetzten den Muskel und stopften sich das rohe Fleisch in den Mund. Sie hörten erst auf, als ihr Fell sich spannte vor Nahrung und ein leuchtend weißer Knochen an einem Balgstreifen von dem Pflock herabhing.
    Schließlich trat Lok zurück und wischte sich die Hände an den Schenkeln ab. Immer noch schweigend gingen sie aufeinander zu und kauerten sich neben dem ausgehöhlten Stein zu Boden. Von fernab, von dem Hang, der zur Terrasse hinaufführte, hörten sie die Stimme des Alten.
    »A-ho! A-ho! A-ho!«
    Der Dunst aus dem offenen Mund des Steins war dick. Eine Fliege saß träge am Rand; als Loks Atem näherkam, bewegte sie die Flügel, flog einen Augenblick umher und ließ sich wieder nieder. Fa legte die Hand auf Loks Arm. »Berühre es nicht.«
    Aber Loks Mund war dem Stein ganz nahe, seine Nasenflügel bebten, und sein Atem ging schnell. Er sprach mit lauter, fremder Stimme. »Honig.«
    Da neigte sich schon sein Kopf, und er steckte den Mund hinein und schlappte. Der faulige Honig verbrannte ihm Mund und Zunge, daß er auf den Rücken rollte, und Fa floh vor dem Stein um die Glutasche herum. Sie sah ihn angstvoll an, während er spie und langsam zurückkroch, sich wieder an den Stein heranmachte, der mit seinem starken Dunst beharrlich auf ihn wartete. Er ließ sich vorsichtig nieder und schlürfte. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schlürfte weiter. Dann lehnte er sich zurück und lachte ihr ins Gesicht. »Trink.«
    Unsicher neigte sie den Kopf zu dem Mund des Steins hinab und steckte die Zunge in das beißende, süße Getränk. Lok erhob sich plötzlich auf die Knie und redete und schob sie zur Seite, daß sie erstaunt wieder in die Hocke ging und sich die Lippen leckte und ausspie. Lok vergrub den Kopf in dem Stein und schlürfte dreimal; doch beim dritten Schluck hatte sich der Honigspiegel gesenkt, daß er ihn nicht mehr erreichte und Luft einsog und laut würgte und hustete. Er rollte über die Erde und schnappte nach Luft. Fa wollte den Honig versuchen, konnte ihn aber mit der Zunge nicht schlecken und sagte Lok böse Worte. Sie schwieg einen Augenblick, hob dann den Stein auf und hielt ihn an den Mund, wie es die neuen Gefährten taten. Lok erblickte sie mit dem großen Stein vor dem Gesicht und lachte und versuchte ihr zu erzählen, wie lustig sie aussah. Noch rechtzeitig erinnerte er sich wieder des Honigs, sprang auf und wollte ihr den Stein vom Gesicht nehmen. Aber der Stein hing fest, wollte nicht weichen, und als er ihn hinabzog, hing ihr Gesicht daran. Dann packten sie einander und schrien. Lok hörte, wie schrill und laut und wild seine Stimme klang. Er ließ los, um diese neue Stimme zu erforschen, und Fa taumelte davon mit dem Stein. Er merkte, daß sich die Bäume sanft seitwärts und in

Weitere Kostenlose Bücher