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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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Wasser. Die Kälte reichte ihnen noch bis an die Knie, als sie sich umschlangen und auf das Ufer zuschwankten. Noch ehe sie ihre Füße im glucksenden Schlamm sehen konnten, mußte Lok lachen und schwatzen. »Allein sein ist schlimm. Allein sein ist sehr schlimm.« Fa hielt sich an ihm fest und hinkte. »Ich bin wund. Der Mann hat es gemacht mit einem Stein vorn an einem Stock.«
    Lok berührte sie am Schenkel. Schwarzes, geronnenes Blut hatte die längliche Wunde verschlossen und schaute daraus hervor wie eine Zunge. »Allein sein ist schlimm –«
    »Ich bin in das Wasser gerannt, als der Mann nach mir geworfen und die Wunde gemacht hatte.« »Das Wasser ist schlimm.«
    »Das Wasser ist besser als die neuen Gefährten.« Fa nahm den Arm von seiner Schulter, und sie kauerten unter einer großen Buche nieder. Die Neuen kamen zurück von der Lichtung mit dem zweiten hohlen Stamm. Sie jammerten und keuchten. Die beiden Männer mit den gebogenen Stöcken, die vorausgegangen waren, riefen etwas von den Felsen des Berges herab. Fa streckte das wunde Bein aus. »Ich habe Eier gegessen und Schilf und Froschlaich.« Lok merkte auf einmal, daß seine Hände sie unablässig streichelten. Sie lächelte ihm gramvoll zu. Er gedachte des aufblitzenden Zusammenhangs, der aus seinen beziehungslosen Einzelbildern helle Einsicht gemacht hatte. »Jetzt bin ich Mal. Mal sein ist schwer.« »Frau sein ist schwer.«
    »Die Neuen sind wie der Wolf ist und der Honig, fauliger Honig, und der Fluß.«
    »Sie sind wie ein Feuer im Wald.«
    Ganz plötzlich sah Lok ein Bild; es war so tief unten in seinem Kopf vergraben gewesen, daß er es nicht mehr vorhanden gewähnt hatte. Einen Augenblick lang glaubte er, es sei nicht in ihm, sondern außer ihm, so daß die Umwelt sich veränderte. Er selbst war so groß wie zuvor, aber alles andere war auf einmal viel größer. Die Bäume waren so hoch wie Berge, und er stand nicht auf dem Boden, sondern ritt auf einer Schulter und klammerte sich mit Händen und Füßen in rotbraunes Haar. Der Kopf vor ihm – er wußte es, obwohl er ihn nicht von vorn sehen konnte – hatte Mals Gesicht, und eine größere Fa floh ihnen voraus. Die Bäume hoch oben schleuderten Flammen empor, und ihr heißer Atem fiel sie an. Und da war Not und Bedrängnis und dasselbe Anspannen des Fells – da war Angst und Schrecken.
    »Jetzt ist es, wie es war, als das Feuer davonflog und die Bäume fraß.«
    Die Geräusche der anderen und ihrer Stämme waren weit weg. Läufer kamen schweren Schrittes auf dem Steig zur Lichtung zurückgeeilt. Eine Weile hörten sie Vogelsprache, und dann war Stille. Die Schritte tappten hastig in der anderen Richtung und verklangen wieder. Fa und Lok standen auf und näherten sich dem Steig. Sie wechselten keine Worte, doch in ihrem vorsichtigen, weitausholenden Anschleichen lag das unausgesprochene Eingeständnis, daß sie das Tun und Treiben der Neuen beobachten mußten. Mochten sie auch schrecklich sein wie das Feuer oder der Fluß – sie lockten dennoch wie Honig und wie Fleisch. Der Steig hatte andere Gestalt angenommen, wie alles, womit die neuen Gefährten in Berührung kamen. Die Erde war zerfurcht und aufgewühlt, die runden Hölzer hatten einen Weg niedergedrückt und geglättet, der so breit war, daß Lok und Fa und noch ein dritter Gefährte darauf nebeneinander hätten gehen können.
    »Sie haben ihre hohlen Stämme auf Baumstücken fortgeschoben, die gerollt sind. Das Junge war in einem der Stämme. Und Liku wird in dem anderen sein.« Fa sah ihm voller Trauer in die Augen. Sie wies auf einen schmierigen Fleck, der eine Wegschnecke gewesen war. »Sie sind über uns hinweggegangen wie ein hohler Stamm. Sie sind wie ein Winter.«
    In Lok war wieder das drückende Gefühl, aber im Beisein Fas war es von einer Schwere, die er nicht ertragen konnte.
    »Jetzt sind nur noch Fa und Lok da und das Junge und Liku.«
    Eine Weile blickte sie ihn stumm an. Dann streckte sie die Hand aus, und er ergriff sie. Sie öffnete den Mund und wollte sprechen, doch kein Laut drang hervor. Es ging wie ein Beben durch ihren ganzen Körper, und dann erschauerte sie. Er sah, wie sie dieses Zittern bezwang, so wie sie es an einem Schneemorgen bezwungen haben mochte, wenn sie die Geborgenheit der Höhle verließ. Sie nahm ihre Hand aus der seinen. »Komm!«
    Das Feuer schwelte noch in einem großen Aschenrund. Die Schutzhöhlen aus Laub waren auseinandergerissen, obgleich die aufrechten Stöcke noch standen. Der

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