Die Erben
Felslehne paßten. »Und das ist der Platz, wo Mal sitzt.« Er berührte zart das Gestein, so wie Lok oder Ha Fa berührt haben könnte. »Wir sind zuhause!«
Lok kam von der Terrasse herein. Er sah auf die Alte. Von ihrem Bündel befreit schien sie jetzt weniger entrückt, schien sie mehr den anderen zu gleichen. Er konnte ihr nun in die Augen sehen und zu ihr sprechen, vielleicht sogar Antwort erhalten. Außerdem drängte es ihn, zu sprechen, vor den anderen das Unbehagen zu verbergen, das die Flammen jedesmal in ihm wachriefen. »Jetzt sitzt das Feuer auf dem Herd. Ist dir warm, Liku?«
Liku nahm die kleine Oa vom Mund. »Ich habe Hunger.«
»Morgen werden wir zu essen suchen für alle.« Liku hielt die kleine Oa in die Höhe. »Sie hat auch Hunger.« »Sie soll mit dir gehen und essen.« Er lachte und wandte sich an alle. »Ich sehe ein Bild –«
Da lachten sie ebenfalls, denn das war Loks Bild, er sah nur wenig andere, und sie kannten es genau so gut wie er selbst.
»– ein Bild, wie Lok die kleine Oa findet.« Wunderlich war die Wurzel gewunden und gebaucht und von den Jahren zur Gestalt einer dickleibigen Frau geschliffen worden.
»– ich stehe zwischen den Bäumen. Ich fühle. Mit diesem Fuß hier fühle ich –« Er spielte es ihnen vor. Sein Gewicht ruhte auf dem linken Bein, und mit dem rechten Fuß wühlte er in der Erde. »– ich fühle. Was fühle ich? Einen Knochen? Einen Ast? Eine Knolle?« Sein rechter Fuß packte etwas und reichte es der linken Hand weiter. Er sah hin. »Es ist die kleine Oa!« Triumphierend sonnte er sich vor ihnen in seinem Ruhm. »Und jetzt: wo Liku ist, da ist auch die kleine Oa.«
Sie spendeten ihm Beifall und lächelten, teils über Lok, teils über die Geschichte. Durch ihre Zustimmung sicher geworden, ließ er sich am Feuer nieder, und alle schwiegen und starrten in die Flammen.
Die Sonne versank im Fluß, und das Licht stieg aus der Höhlennische heraus. Nun war das Feuer mehr denn je Mittelpunkt, weiße Asche, roter Fleck und aufzitternde Flammenzunge. Die Alte ging leise hin und her und legte neues Holz auf, daß der rote Fleck um sich fraß und das Geloder erstarkte. Sie sahen zu, und ihre Gesichter schienen im unsteten Licht zu erbeben. Ihr gesprenkeltes Fell schimmerte rötlich, und in jeder der tiefen Höhlen unter ihren Brauen wohnten kleine Abbilder des Feuers, und alle Feuer tanzten miteinander. Als die Wärme sie durchdrang, entspannten sie die Glieder und sogen dankbar den Rauch ein. Sie beugten die Zehen und streckten die Arme und rückten sogar ein wenig vom Feuer ab. Wieder kam jene tiefe Stille über sie, die so sehr viel natürlicher zu sein schien als Gespräch, ein zeitloses Schweigen, in dem zunächst noch Gedanken und Vorstellungen eines jeden einzelnen gegenwärtig waren – und dann vielleicht überhaupt keine Vorstellung mehr. So vertraut klang ihnen jetzt das Brausen des Wassers, daß sie zu hören vermochten, wie der Wind sanft über den Fels strich. Ihren Ohren schien Eigenleben gegeben, denn sie filterten die vielerlei schwachen Geräusche und nahmen sie in sich auf, das Geräusch des Atmens, das Geräusch des feuchten, zu Flocken werdenden Lehms und der niederfallenden Asche. Dann sprach Mal in seltsam unsicherem Ton. »Es ist kalt, oder?«
Die Gemeinsamkeit entließ sie, sie waren wieder Einzelwesen und wandten ihm ihre Aufmerksamkeit zu. Er war nicht mehr naß, und sein Haar lockte sich schon. Er kroch entschlossen näher zum Feuer und kniete hin, daß seine Knie auf dem Lehm ruhten. So beugte er sich auf beide Arme gestützt vornüber, und die volle Hitze schlug ihm wider die Brust. Dann zupfte der Frühjahrswind an dem Feuer und wehte ihm die dünne Rauchsäule in den offenen Mund. Er würgte und hustete und konnte nicht mehr aufhören. Die Anfälle schienen jedesmal unvermittelt aus seinem Innern zu kommen. Sie beutelten seinen Leib, und er keuchte und schnappte nach Luft. Dann fiel er auf die Seite, und es schüttelte ihn von Kopf bis Fuß. Sie konnten seine Zunge sehen und die Angst in seinen Augen.
Die Alte sprach.
»Das ist die Kälte aus dem Wasser, wo der Stamm war.« Sie trat zu ihm, rieb ihm die Brust und knetete seine Halsmuskeln. Sie nahm seinen Kopf auf ihren Schoß und hielt den Wind von ihm ab, bis er ausgehustet hatte und still und kaum merklich zitternd dalag. Das Junge wachte auf und rutschte von Fas Rücken herunter. Es kletterte über die ausgestreckten Beine hinweg, und seine rote Mähne leuchtete im gelben
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