Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
Wahrscheinlich würde es Jahre dauern, bis sie sich einigermaßen allein zurecht fand! Und jetzt auch noch ihre magischen Fähigkeiten! Alle Magier mussten getauft werden. Oden befahl es so. Normalerweise wurde in dem jeweiligen Dorf zu dem man gehörte zur Taufe gerufen, hatten Tora und Kunar erklärt. Jeder hier gehörte irgendeiner Dorfgemeinschaft an, auch die elternlosen Kinder. Oden bestimmte welches Dorf sie adoptieren musste. Nicht dass die Bewohner des Dorfes dann für sie sorgen mussten. Nein, entweder sie taten es freiwillig, oder sie ließen sie, wie Tora und Kunar, als Sklaven arbeiten. Aber für die Taufe war das Adoptiv-Dorf zuständig. Wer magische Fähigkeiten entwickelte war sozusagen rehabilitiert und wurde als vollwertiges Mitglied in der Dorfgemeinschaft aufgenommen. Charlie gehörte in keine Dorfgemeinschaft. Sie gehörte überhaupt nicht hierher, oder doch? Wenn Kunar recht hatte, und ihre Eltern sie vor Odens Zorn hatte retten wollen, gab es ein Dorf zu dem sie gehörte. Aber welches? Vanaheim war groß, hatten Kunar und Tora erklärt. Außerdem gab es hier noch ein Land. Godheim. Das einzige was sie wusste war, dass sie sich jetzt gerade in Vana heim befand. Aber sie hatte auch ein blaues Auge. Wer sagte denn, dass sie nicht eigentlich aus Godheim stammte?
Sie konnte sich also nicht taufen lassen, ohne aufzufliegen. Aber Magier ohne Tattoo und Magiernamen waren strengstens verboten. Was sollte sie bloß tun? Tora, Kunar und Charlie waren sich am Abend, bevor sie sich trennten, darüber einig geworden, Charlies Kräfte erst einmal geheimzuhalten. Sie hofften , die alte Fulla würde nichts erzählen. Tora war der Meinung, dass sie einigermaßen sicher waren. Sie kaufte auf jedem Markt bei ihr ein und die alte Magierin hatte noch nie mehr als das Nötigste gesagt. Auch Tyrvi und Gnâ hatten sich oft über Fullas Einsilbigkeit und ständige schlechte Laune beschwert. Charlies Gedanken kreisten unaufhörlich und ihre Hände und ihr Gesicht taten ihr weh.
Es war schon weit nach Mitternacht, als Charlie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel, in dem sie von Makaras gejagt wurde, dem Midgârdsorm zum zweiten Mal nur knapp entkam, ihre Blasen an den Händen aufplatzten und eine eitrige, übelriechende Substanz austrat und Fulla geheimnisvoll kichernd und mit hoch erhobenem Finger sagte Fühle es mein Junge! Du musst es fühlen!
8. Euripides
Die junge Frau mit den Bernsteinaugen strich sich das Haar aus dem Gesicht. Schweißperlen glänzten auf ihrer hohen Stirn. Sie streckte sich.
Der Rückweg war nicht sehr lang gewesen, aber sehr verwirrend. Sie blickte über den breiten langsam fließenden Fluss. Nachdenklich. Das Kanu hatte sie weit an Land gezogen, in Sicherheit vor der alles mit sich führenden Strömung des Wassers. Nicht weit von hier, mündete der Fluss in einem Meer. Die junge Frau konnte die hohen Bauten der Stadt sehen, die sich hinter den dichten Wäldern erhoben und den Fluss auf seinen letzten Kilometern zum Meer begleiteten.
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Da war es wieder. Erinnerungsfetzen flatterten vorbei. Längst vergessene, tief vergrabene Bilder. Ein schwarzes Pferd mit weit ausgestreckten Flügeln flog mit kräftigen Bewegungen auf sie zu. Das Bild verschwand. Aufgelöst in einer dicken Nebelwand, die sich aus dem Nichts vor ihr aufbaute. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie sah zur Stadt hinüber. Die drei Sonnen hatten den höchsten Punkt verlassen und senkten sich nun langsam über die hoch hinausragenden Türme der Stadt.
Ein leises Surren verriet ihr, dass ein Gleiter vorbeizog. Nicht weit von ihr passierte der kleine Personentransportgleiter, kurz PTG genannt, über ihr vorbei. Sein silbern metallischer Rumpf glänzte matt in den Sonnen. Hinter der gläsernen Kuppel konnte die Frau die Passagiere gut erkennen. Offensichtlich eine kleine Familie der Unparteiischen . Vater, Mutter mit einem Kind. Ihre übergroßen, kahlen Köpfe nickten einander zu. Die Mutter lächelte. Das Kind presste seine kleine Nase von innen an die Glaskuppel und blickte gelangweilt auf die junge Frau herab. Dann plötzlich hob es aufgeregt einen seiner vier dünnen, langen Arme und zeigte auf die junge Frau, während es unaufhaltsam redete. Der Vater warf einen interessierten Blick auf die Frau und nickte seinem Sohn dann lachend zu.
Die junge Frau war es gewohnt angestarrt zu werden. Sie nahm kaum Notiz von dem PTG und seinen Insassen. Unbeweglich stand sie da und
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