Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
das Tor hinter dem breiten Hinterteil seines Vaters. Der Sturm hatte den kurzen Augenblick genutzt und eine beachtliche Menge Schnee in den Stall geschoben.
»Brr! Wie gut, dass wir nicht noch einmal hinaus müssen«, sagte er und legte einen Armvoll Holz auf. »Macht es euch gemütlich, wir haben heute sturmfreien Stall!«
»Von wegen sturmfrei!«, erwiderte Gemini und sah vielsagend zum Fenster hinaus. »Möchtet ihr Tee?«, fragte sie ihre Gäste.
»Tee?«, reagierte Pollux empört und fischte ein kleines Fass aus einem der oberen Regale neben der Feuerstelle.
»Also, ich trinke gut gereiften Met! Kunar, du lässt mich doch nicht alleine trinken? Und wie sieht es mit den Damen aus? Etwas Wärme von innen gefällig?«
Sein Gesicht strahlte voller Vorfreude, als er die ersten beiden Krüge auf dem Holztisch absetzte.
Kunar schien nicht abgeneigt. Ganz im Gegenteil sah man ihm an, dass er sich die Gelegenheit, seinen ersten Met zu trinken, ganz bestimmt nicht entgehen lassen wollte.
Pollux schob Kunar den Krug vor die Nase und goss ihn bis zum Rand voll.
»Bitte sehr!«
Tora schüttelte den Kopf, als Pollux sie fragend ansah.
»Nein, vielen Dank. Ich nehme doch lieber Tee. Aber ich darf einmal probieren, oder?«, wandte sie sich an ihren Bruder und schnupperte neugierig an dem alkoholischen Getränk.
»Für mich auch Met«, sagte Charlie. »Aber bitte nicht so viel.« Pollux lachte und holte Charlie einen kleineren Becher.
Sora konnte ihre Augen kaum von Charlie lassen. Sie schüttelte zum wiederholten Mal ungläubig den Kopf.
»Es ist wie … Zauberei«, sagte sie.
Charlie lächelte Sora an.
Zauberei …
»Ja«, sagte sie. »Magie … Gab es auf deinem Planeten …« Dann hielt sie abrupt inne und sah sich erschrocken um. »Wie viel wissen sie ?« flüsterte sie Sora mit einem Blick in Richtung der Kentauren zu.
Sie wusste ja nicht einmal, ob den Kentauren der Nebel der Reisenden bekannt war!
»Sie wissen so einiges«, beruhigte sie Sora. »Als ich hier vor einem halben Jahr ankam, war den Kentauern sehr schnell klar, dass ich durch den Nebel gekommen war.«
Tora beugte sich neugierig vor und hing Sora förmlich an den Lippen. Charlie und Kunar hörten mit gemischten Gefühlen aufmerksam zu.
»Es war schwer zu verbergen«, lachte Sora. »Alles hier war fremd und ich noch viel fremder! Meine Augen, meine Kleidung, mein Dialekt, der seit Jahrtausenden nicht gehört worden war. Und kein Stück Gepäck. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich war. Abgesehen von der Tatsache, dass ich als Kind schon einmal hier gewesen sein musste …«
Ihre Augen glitten in die Vergangenheit.
»Die Kentauren mischen sich normalerweise nicht in die Belange der Menschen ein. Aber ich wurde herzlich aufgenommen, wie ein Mitglied ihrer Familie.« Sie sah dankbar von Gemini zu Pollux.
»Und als Hravn, der schwarze Pegasus, mich als seine Begleiterin auswählte, wuchs Taurus’ Interesse an meiner Geschichte. Er rief mich zu sich, und ich erzählte ihm mein Leben, zumindest die Bruchstücke, an die an ich mich erinnerte. Auch mit Gemini habe ich mich oft unterhalten. Sie weiß Bescheid über meine Träume von einem schwarzhaarigen Mädchen – von dir, Charlie«, lächelte Sora.
Sora hatte von ihr geträumt! Genau wie sie selbst von Sora und dem Amulett!
»Und hast du …«, begann Charlie und machte eine vage Handbewegung in Richtung ihres eigenen Hexensteins, der unsichtbar unter ihrem Hemd ruhte.
Soras Augen blitzten kurz auf, fast unmerklich schüttelte sie den Kopf.
Sie fuhr fort, als hätte Charlie nichts gesagt.
Sora hielt ihren Stein also geheim.
Genauso wie Charlie es selbst getan hatte.
Doch hatte nicht genau diese Geheimhaltung dazu geführt, dass sie selbst nun ohne Amulett da stand? Wenn sie Biarn vertraut hätte …
»Ich glaube«, sagte Sora gerade, »dass meine Geschichte Taurus dazu gebracht hat, nach einem Thul zu schicken. Nach einem ganz bestimmten Thul. Er muss etwas wissen, was eine Verbindung zu mir darstellt. Vielleicht Informationen über die Vergangenheit? Da du, Charlie, in seiner Begleitung gekommen bist, bin ich nun noch mehr davon überzeugt, dass ich einige Antworten erhalten werde!«
»Sie haben deinetwegen nach Ragnar geschickt … natürlich …«, fiel es Charlie wie Schuppen von den Augen.
»Aber«, meldete sich Tora, »wir sind nur durch Zufall auf Ragnar gestoßen, obwohl er behauptet, es wäre sein Schicksal!«
»Ja, ganz genau«, sagte Charlie. »Was er damit wohl
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