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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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würde, hätte sie denjenigen für komplett verrückt erklärt!
    Charlie war nämlich bis zu ihrem 14. Lebensjahr ein vollkommen normales Erdenmädchen gewesen. Bis auf ihre unterschiedlichen Augenfarben natürlich. Sie hatte ein grünes und ein blaues Auge. Und dann war sie hier in Vanaheim gelandet! Mit Hilfe eines Amuletts, das nun Oden besaß, hatte sie das Nebeltor in diese andere Welt durchquert. Eine Welt so grundverschieden von der Erde, wie man es sich selbst in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen konnte. Eine Welt, in der Fabeltiere und Magie so normal waren, wie Hunde und Elektrizität auf der Erde.
    Magie ...
    Zu ihrer eigenen Überraschung hatte Charlie auf Vanaheim seltsame Fähigkeiten entwickelt. Sie konnte plötzlich die Energien der Pflanzen um sich herum verstehen und entwickelte ein Gespür für Regen. Genau diese magischen Fähigkeiten hatte sie in den letzten Wochen erweitert, zum Teil mit Biarns Hilfe. So beherrschte Charlie den Dreifingerschutz zur Abwehr von magischen Angriffen nun schon fast wie einen angeborenen Reflex.
    Jeden Tag hatte sie geübt, ihre Energie zu bündeln. Sie sollte das Symbol Algiz als Schutzrune verwenden, hatte ihr Biarn erklärt. Dafür spreizte man drei Finger ab und verband Algiz mit der Macht der Tursen, indem man Thurisaz rief.
    Bis vor zwei Wochen hatte Charlie bei ihren Übungen lediglich ein Kribbeln in der Hand verspürt, doch auf den großen Durchbruch vergeblich gewartet. Dann, als sie schon fast aufgeben wollte, passierte es.
    Charlie hatte sich auf einen großen, bemoosten Findling in der Nähe des Schwarzelfenlagers zurückgezogen, um nachzudenken. Kunar war wieder einmal extra abweisend gewesen. Seit Charlie ihm gebeichtet hatte, dass sie die ganze Zeit nur vorgegeben hatte, ein Junge zu sein, tat er so, als ob Charlie nicht existieren würde. Anfangs war er sehr wütend gewesen. Er hatte sie als Betrügerin bezeichnet, die seine und Toras Freundschaft und Vertrauen ausgenutzt hätte. Er meinte, sie hätte zudem Godheims Bräuche missachtet und somit ihrer aller Lebensweise mit Füßen getreten.
    Später, als er bemerkte, dass Tora bereit war, Charlie zu verzeihen, hatte er sich zurückgezogen – er fühlte sich auch von seiner Schwester verraten. Seitdem strafte er Charlie mit feindseliger Nichtachtung. Wenn er gezwungen war, mit ihr zu kommunizieren, geschah dies mit einer erzwungenen Gleichgültigkeit, die Charlie noch härter traf, als seine Feindseligkeit.
    Tora versuchte zu vermitteln. Doch als dies nicht half, erklärte sie Charlie, dass Kunar tief verletzt sei und Zeit brauche. Als ob Charlie das nicht selbst gewusst hätte!
    Natürlich war Kunar verletzt!
    Er fühlte sich an der Nase herumgeführt, und Charlie konnte es ihm nicht einmal verdenken. Allerdings hatte sie die Hoffnung gehegt, dass Kunar – ebenso wie Tora – alles verstehen würde, sobald er die ganze Wahrheit kannte. Die Wahrheit über das Amulett und seine Geschichte.
    Kunar musste doch das unglaubliche Abenteuer sehen, das auf sie alle wartete! Würde er denn keine Antworten auf alle ihre Fragen haben wollen?
    Tora war sich sicher, dass ihr Bruder für diese Aussichten seinen Groll vergessen würde. Leider schien sie sich getäuscht zu haben. Und insgeheim hatte Charlie genau davor Angst. Kunar war ein stolzer junger Mann, dessen Ehre gekränkt worden war. Seine tiefe Freundschaft zu Charlie basierte auf Gleichberechtigung und Respekt. Genau das hatte sie nun in seinen Augen verloren. Frauen waren auf Godheim nicht gleichberechtigt, und auch wenn Kunar für Godheimer Verhältnisse tolerant war, so waren die Normen seiner Kultur zu sehr in ihm verankert.
    Würde er je über seinen Schatten springen können? Und wenn ja, auf welcher Basis würde ihre zukünftige Beziehung stehen? Würden sie je wieder so ungezwungen miteinander umgehen können wie vor ihrem Geständnis?
    Charlie hatte sich also an diesem Tag vor zwei Wochen auf den großen Steinblock zurückgezogen. Sie brauchte etwas Abstand von Kunars unterdrückter Feindseligkeit und nutzte die Ruhe, um den Dreifinger-Schutz zu üben. Immer und immer wieder hob sie die Finger, konzentrierte sich darauf, alle ihre Energie in ihrer Hand fließen zu lassen und sagte laut Thurisaz . Es kribbelte – mehr aber auch nicht. Charlie starrte missmutig vor sich hin.
    Einige grüne Rennspinnen huschten über den Waldboden und eine junge Wichtelfichte summte leise vor sich hin. Die Geräusche des Waldes waren Charlie mittlerweile so

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