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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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machte. In der Nähe des Lagers wuchs auch an einigen Stellen Blaukraut – ein unscheinbares Gewächs mit lila Blüten, das eine völlig neue Form von Energie enthielt.
    Badete man die winzig kleinen Blüten des Reginkrautes – wie Charlie und Tora es auch nannten – einen Tag lang in der Sonne, konnte man mit der so gewonnenen Flüssigkeit Angst- und Schockzustände lindern.
    Das hatte Tora am eigenen Leib ausprobiert, nachdem sie in der Nornenvision den grausamen Tod ihrer Mutter hatte mit ansehen müssen. Zu Charlies Leidwesen blühte das Blaukraut nicht um diese Jahreszeit, genauso wenig wie alle anderen Pflanzen Vanaheims.
    Vielleicht gab es auch andere Blütenwässerchen, die Emotionen wie Ärger und Schuldgefühle heilten?
    Obwohl Charlie nicht wirklich daran glaubte, so spät im Jahr noch ein blühendes Gewächs zu finden, streifte sie umher und berührte jede noch so unscheinbare Pflanze. Ihre Ausdauer wurde nur wenige Tage vor dem Opferfest Alvablotet belohnt. In zweierlei Hinsicht.
    Charlie war weiter gewandert als je zuvor. Der dichte Wichtelwald mit den uralten, schuppigen Stämmen brach unversehens vor ihr auf und gab den Blick auf eine große Wiese frei, in deren Mitte ein massiver Fels aus dem Boden wuchs. Die Wiese glich einem Meer aus verschiedenen, bereits vergilbenden Gräsern, aus dem in fast gleichmäßigen Abständen etwa 1,5 Meter hohe Pflanzen emporragten. Sie erinnerten Charlie an Staubwedel mit knallgelbem Stiel. Als sie näher heranging, sah sie, dass ebenfalls knallgelbe, lanzenförmige Blätter am Fuße des Stiels wuchsen. Charlie bahnte sich einen Weg durch das Gräsermeer und ließ dabei in alter Gewohnheit ihre Hände über die Pflanzen gleiten.
    Ein großer, gelb gepunkteter Tausendfüßler schlängelte sich in rasantem Tempo auf den schützenden Wald zu. Als Charlie den ersten Staubwedel erreicht hatte, sah sie deutlich, dass diese Pflanze noch nicht annähernd verwelkt war.
    Offenbar ein später Blüher.
    Sie hob die Hand und berührte den knallgelben Stängel. Ein durchaus bekanntes Gefühl von Übelkeit übermannte Charlie, sodass sie rückwärts taumelte. Überrascht starrte sie den Pinselwedel an. Dann griff sie in ihre Manteltasche und leerte aus einem sandbraunen Beutel zerkleinertes Lindwurmblutskraut in ihre Handfläche.
    Charlie hatte es auf dem Markt von Bragesholm von der alten Kräuterhexe Fulla erhalten.
    Damals hatte sie noch nichts von ihren eige nen Bjarka-Fähigkeiten gewusst, doch die Alte hatte eine Kraft in Charlie gespürt und ihr den Beutel aus Seidenspinnergarn mit den Worten ausgehändigt: »Du wirst schon herausbekommen, welche Kraft in diesem Kraut wohnt«.
    Und Charlie hatte es herausgefunden. Lindwurmblutskraut war ein extrem starkes und giftiges Heilmittel, das aber in der richtigen Dosierung bei Vergiftungen durch Fisch und Fleisch helfen konnte.
    Das Gras auf ihrer Hand hatte exakt dieselbe Schwingungsenergie wie der Staubwedel.
    Das war also Lindwurmblutskraut! So sah es aus.
    Charlie schüttete das Gras in den Beutel zurück und ließ ihn wieder in ihrer Manteltasche verschwinden. Sie beschloss, einen dieser Pinsel mit zurück ins Lager zu nehmen. Als sie den Stängel abbrach, berührte sie unweigerlich auch den fluffigen Staubwedel und nun erlebte Charlie eine wirkliche Überraschung!
    Als sie die vielen winzig kleinen Blüten des braungrünen Wedels streifte, durchfuhr ein unbeschreibliches Gefühl der Unausgeglichenheit ihren Körper. Zweifel nagten an ihr.
    Welchen Platz hatte sie in dieser Welt? Was war sie wert? Hatte sie sich für stärker und gefestigter gehalten als sie war?
    Beängstigende und verwirrende Gedanken schossen in Wellen durch ihren Kopf. Erschrocken zog Charlie ihre Hand zurück und starrte auf die meterhohe Pflanze vor sich. Ihr Selbstwertgefühl und ihre innere Harmonie kehrten zurück, doch der Schock wirkte nach.
    Was für ein unglaublich aufwühlender Gefühlszustand! Ein Wirrwarr, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien. Ein Zustand, in dem sich Unsicherheit und Selbstzweifel in einer sich endlos windenden Spirale ins Unendliche schraubten. Als wäre man plötzlich sein Ich losgeworden und müsste sich vollends neu definieren.
    Charlie schüttelte sich und sah sich nach allen Seiten um. Sie war allein, also wandte sie sich wieder der Pflanze zu. Sie berührte sie noch einmal. Genau wie bei Toras Reginkraut war der Effekt, nun da Charlie vorbereitet war, schwächer. Es war eindeutig dieselbe Schwingungsenergie. Diese

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