Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
Hanna.
Charlie war auf Hanna wütend gewesen und ihre Energie war in den Versuch geflossen, genügend Nebel für den Rückweg nach Vanaheim zu erzeugen. Überrascht hielt sie inne und starrte ins Leere. Zu jenem Zeitpunkt hatte sie es nicht als gefährlich wahrgenommen, dass sich ihre Kräfte verselbstständigten.
»Es geht darum, die eigenen Kräfte zu kanalisieren. Ich habe es dir schon ein paar Mal erklärt, Charlie. Doch es bedarf viel Übung. Und wie ich schon sagte, hat man es meist nur mit schwach ausgeprägten intuitiven Kräften zu tun.« Charlie nagte an ihrer Unterlippe.
»Und was soll ich nun tun? Wie kann ich verhindern, dass ich euch alle in Gefahr bringe?«
»Du wirst dich kontrollieren müssen. Beherrschung ist die einzige Möglichkeit. Wenn du Wut spürst, solltest du sie zielgerichtet ableiten. Ich werde versuchen, es mit dir zu üben, aber es wird nicht einfach werden. Trotzdem glaube ich, dass du gute Voraussetzungen hast. Wir können von Glück sprechen, dass es nicht Tora ist, die solche Kräfte besitzt …«, fügte er besorgt hinzu. »Das hoffe ich zumindest«, fuhr er fort. »Denn bis heute wusste ich nicht einmal, dass sie überhaupt magische Fähigkeiten besitzt.«
Er knurrte und rieb sich noch einmal den Kopf.
»Diese Geheimhalterei ist problematischer als ich gedacht habe. Normalerweise gibt sich jeder Bürger Godheims sofort als Magier zu erkennen, da er dann in der Gunst der Gesellschaft steigt. Auf diese Weise hat es solche Probleme bisher kaum gegeben und wenn ja, dann nur im Beisein erfahrener Ausbilder, die sich zur Wehr setzen konnten. Tora muss schon länger mit ihrer Magie experimentieren, sonst hätte sie nicht so zielsicher treffen können.«
»Sie hat noch niemals etwas fliegen lassen«, versicherte Charlie.
»Wenn das so ist, dann hat sie eine andere Linie ihrer Ass Fähigkeiten verfolgt … Hat sie mit dir darüber gesprochen?«
Charlie schwieg. Sie wusste genau, welche magische Fähigkeit Tora bereits äußerst kontrolliert beherrschte. Immerhin hatte sie bereits seit geraumer Zeit telepathischen Kontakt zu ihren beiden Sphinx-Schützlingen Dag und Natt, die nun selbstständig auf Gymers Berg jagten. Charlie und Tora hatten es geheim gehalten, um die beiden Großkatzen zu schützen. Biarn und auch Kunar sahen große Gefahr in ihnen, denn sie vermuteten, dass die beiden ihre wilde Sphinx-Verwandtschaft in Godheim alarmieren könnten, die dann unbarmherzig Jagd auf sie alle machen würde.
Tora hatte zwei süße Katzenbabies von einem ihrer Ausflüge zur Erde mit nach Vanaheim gebracht. Diese waren hier zu Großkatzen mutiert – zu Sphinxen. Charlie hatte sogar einen Drachen nach Vanaheim eingeschleppt. Ursprünglich eine fette Fliege, die auf Charlies Schulter von der Erde mit durch den Nebel gekommen war und sich bei der Ankunft auf Gymers Berg in einen Lindwurm verwandelt hatte. Warum Tiere von der Erde auf Godheim zu Fabelwesen mutierten, leuchtete ihr noch immer nicht ein
Plötzlich begriff Biarn.
»Telepathie!«, rief er und sprang auf die Beine. »Verdammt, Charlie! Wie lange schon?«
Charlie antwortete nicht. Sie hatte Tora ihr Wort gegeben.
Konnte Biarn Gedanken lesen? Es war nicht das erste Mal, dass Charlie dieses Gefühl befiel.
»Schon eine Weile«, gab sie dann widerwillig zu.
Biarn begann nun seinerseits im Kreis zu laufen.
»Sie kommuniziert mit ihnen, habe ich recht?«
Charlie zuckte mit den Schultern.
»Was ist mit Kunar?«, fragte sie, denn das Sphinx-Problem kümmerte sie zurzeit herzlich wenig.
Biarn ließ von Toras telepathischen Fähigkeiten ab.
»Ich weiß es nicht so genau«, sagte er. »Ich wollte das Eis brechen, daher der Kampf. Ich dachte, wenn er merkt, wie gut du bist – er aber dennoch gewinnt – wird seine Ehre gerettet sein und er könnte großzügig zugeben, dass Frauen würdige Gegner sind.«
»Oh, danke«, sagte Charlie verärgert. »Du bist also davon ausgegangen, dass ich verliere. Sehr nett von dir.«
Biarn winkte ab.
»Kunar kämpft sehr gut. Abgesehen davon ist er um einiges größer und kräftiger als du – und er hat mehr Erfahrung. Vor allem aber ist er nicht erst vor kurzem Hels Reich um Haaresbreite entkommen.«
Charlie wusste, dass ihr Gegenüber recht hatte. Trotzdem gefiel es ihr nicht. Biarn lächelte sie an.
»Ich sagte, dass du eine würdige Gegnerin bist. Reicht dir das nicht?«
Charlie knurrte irgendetwas Unverständliches.
Biarn griff nach ihren Schultern und drehte sie zu sich
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