Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
konnte den Regen teilen, sodass er rechts und links zur Seite flog und Charlie auf diese Weise trockenen Fußes durch Vanaheims Wälder spazieren konnte.
Biarn beobachtete dies wohlwollend und anerkennend. Er beschloss daraufhin, Charlie eine weitere Zeremonielle Magie zu lehren. Und zwar, wie man aus Wasser Eis machte. Er hatte drei Schüsseln mit Wasser gefüllt und diese zwischen ihnen abgesetzt.
»Zeremonielle Magie besteht, wie du weißt, aus zwei Stufen«, erklärte er. »Aus einem Bewegungsritual« – er machte einige Handbewegungen und das Wasser in der ersten Schüssel gefror augenblicklich zu Eis – »… verstärkt durch verbale Zeremonielle Magie.«
Er bewegte seine Hände noch einmal und rief »Isaz!«
Das Wasser in der zweiten Schüssel gefror und sprengte diese in die Luft.
»Also gut, Charlie. Nun bist du an der Reihe. Du ritzt die Rune Iss in die Luft. Für jede Himmelsrichtung eine.«
Da die Rune Iss nur aus einem senkrechten Strich bestand, war dies nicht weiter schwer.
»Und nun ritzt du die Rune Iss einmal in die Richtung des Wassers, das gefrieren soll.« Charlie machte einen Strich in die Luft in Richtung Schüssel.
»Und gleichzeitig rufst du Isaz . Isaz ist in der uralten Sprache der Magie das Wort für Eis«, erklärte Biarn.
Charlie rief »Isaz«. Doch nichts geschah.
»Du musst die magische Energie durch deine Hände in die Rune fließen lassen«, klärte Biarn sie auf. »Wie bei dem Dreifinger-Schutz.«
Charlie versuchte es erneut. Sie konzentrierte sich. Sie ritzte Iss in alle Himmelsrichtungen und in Richtung Schüssel und rief »Isaz!«.
Wieder geschah nichts, obwohl sie ein leichtes Kribbeln in ihrer Hand verspürte. Sie war auf dem richtigen Weg. Nach drei weiteren Versuchen kräuselte sich das Wasser zum ersten Mal, und nach weiteren drei entstand schon eine hauchdünne Eisschicht auf der Wasser-oberfläche.
Biarn war sehr zufrieden mit ihr und trug ihr auf, alleine weiter zu üben, während er fort war.
Biarn blieb immer nur für einige Tage in Svartalfheim, denn er hatte auch noch andere Pflichten und Pläne, von denen Charlie, Tora und Kunar nichts erfuhren. Doch jedes Mal, wenn er da war, brachte er Charlie etwas Neues bei. Nach dem Ereignis mit dem Kampfholz wollte Biarn auch Tora unterrichten.
Die Eisübungen waren nun schon einige Wochen her, und Charlie beherrschte das Schockgefrieren von Wasser fehlerfrei. Sie war sogar dazu übergegangen, an ihren Regentropfen zu üben und konnte bereits einzelne Tropfen anhalten, magisch mit der Rune Iss markieren und so als Hagelkorn zu Boden fallen lassen. Jetzt arbeitete sie daran, mehrere fallende Tropfen gleichzeitig gefrieren zu lassen. Es sollte richtig hageln.
Charlie versuchte auch, Nebel zu machen. Doch das war schwieriger als gedacht. Sie war der Meinung gewesen, dass sie die Regentropfen lediglich teilen musste, aber je kleiner sie wurden, desto problematischer wurde es. Sie gab ihr Ziel nicht auf, sondern legte es lediglich auf Eis – im wahrsten Sinne des Wortes.
Obwohl Charlie nun nicht mehr von Oden gesucht wurde (da der sie ja für tot hielt), war sie vorsichtig, wenn sie durch den Wald streifte. Biarn war eines Tages zurückgekehrt und hatte verkündet, dass Oden nun nach einem älteren Magier Ausschau halten ließ.
Charlie und Biarn vermuteten, dass Oden die Präsenz des dritten Teil des Amuletts verspürte. Weshalb er allerdings einen alten Magier suchen ließ, war Charlie schleierhaft. Sie war sich sicher, dass die junge, dunkelblonde Frau mit den braunen Augen den dritten Teil besaß. Sie hatte sie eindeutig aus dem Nebel treten sehen – vermutlich in Godheim, denn enorme Bergketten hatten sich hinter der Frau erstreckt.
Oden schien dagegen nicht zu wissen, wo er seine Suche beginnen sollte, er spürte offenbar lediglich die Anwesenheit des weißen Steins mit den blutroten Linien. Also sah sich Charlie vor, wenn sie das Lager der Schwarzelfen verließ.
Der Illusionszauber der Elfen, der das Lager für andere Wesen unsichtbar machte, erstreckte sich nur einige hundert Meter im Umkreis. Falls sie ständig unsichtbar herumlaufen wollte, hätte ein Schwarz-elf sie begleiten oder sich zumindest ständig auf sie konzentrieren müssen. Das war natürlich nicht immer möglich.
Es war nicht die richtige Jahreszeit für blühende Gewächse. Die meisten Heilkräuter lagerten ihre Heilkräfte allerdings in der Staude oder im Wurzelstock, sodass Charlie bei ihren Wanderungen immer wieder neue Entdeckungen
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