Die Erben der Nacht 04 Dracas
Es fühlte sich gut in seinen Armen an. Sie roch so wundervoll. Und doch fand er es auch ein wenig fade.
Er dachte an Ivy. Wie sie sich in Irland geküsst hatten. Nein, das hatte mit diesem hier nichts gemein. Ihre Gefühle waren so wild gewesen wie das Land. Leidenschaft, das war es, was diesem Kuss hier fehlte. Dabei war sich Franz Leopold durchaus sicher, dass dieses Mädchen zu Leidenschaft fähig war. So nachgiebig, ja fast leblos sie in seinen Armen lag, so kriegerisch war das Blitzen ihrer Augen.
Wie konnte das sein? Hatte er sie nicht völlig in seiner Gewalt? Irgendwie musste ihm ein Teil ihres Bewusstseins entglitten sein. Ihr eigener Wille erwachte und war alles andere als bereit, sich dem fremden Eindringling unterzuordnen.
»Clarissa, sei doch nicht so widerspenstig. Ich lasse deinen Geist gehen, wenn du mir wenigstens eine Chance gibst, dich davon zu überzeugen, dass ich die bessere Wahl für dich bin.«
Er lockerte seinen Griff um ihren Geist ein wenig, sodass er sicher sein konnte, dass sie ihn verstand.
»Wo ist Luciano?«, presste sie ein wenig undeutlich hervor.
»Das ist es ja gerade, was ich dir erzählen will. Er kommt nicht. Frage mich nicht, wie es geschehen konnte, dass sein Interesse an dir so schnell erlosch. Deshalb komme ich zu dir, denn ich fände es schade, wenn du dich grämen müsstest. Das ist er nicht wert. Lass uns lieber fröhlich sein, denn das ist es, was ein junges, hübsches Mädchen tun sollte. Kannst du tanzen? Ganz sicher! Ich bin überzeugt, dass du dich einer Elfe gleich durch den Ballsaal bewegst. Was hältst du davon, wenn wir zum Kursalon hinübergehen und uns ein wenig im Walzerklang drehen?«
Ganz vorsichtig zog er seinen Geist noch ein Stück zurück. Ihr Körper versteifte sich. Sie rutschte von ihm ab und starrte ihn empört an.
»Ist das Ihr Ernst? Sie kommen uneingeladen hierher, küssen mich, obgleich ich Ihnen das nicht gestattet habe, und fragen nun, ob ich mit Ihnen tanzen gehe?«
»Ja, so habe ich mir das gedacht. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie
erst einmal in meinen Armen zu den Walzerklängen durch den Raum schweben, ist Ihr Schmerz sogleich verweht und Luciano vergessen.«
»Niemals!«, stieß sie hervor. »Und nun gehen Sie und lassen Sie mich alleine.«
Alisas Bild stieg vor ihm auf. Es war ihm, als könne er sie in seinen Armen spüren, ihr Verzücken mit ihr teilen, während sie sich zu den Walzermelodien drehten. Was sie wohl dazu sagen würde? Nein, das wollte er sich lieber nicht vorstellen. Ihr vorwurfsvoller Blick brannte in seinem Innern und er spürte ihren tiefen Schmerz. Verraten würde sie sich fühlen, und betrogen.
So ein Blödsinn! Sie würde es sowieso nicht erfahren. Er jedenfalls hatte nicht vor, ihr von seinem kleinen Spiel mit Clarissa zu erzählen.
Und? Machte das die Sache besser?
Franz Leopold verdrängte das Bild und lehnte sich in den Polstern zurück. »Warum sollte ich dich jetzt alleine lassen? Es gefällt mir hier sehr gut und deine Gesellschaft ist ganz zauberhaft. Wir werden die besten Freunde und ganz sicher auch mehr, wenn du es nur zulässt.«
Clarissa starrte ihn wild an. »Niemals! Wenn Sie nicht den Anstand besitzen, sich zurückzuziehen, dann gehe ich.«
Sie packte ihren Umhang und wäre zur Tür gestürzt, hätte nicht plötzlich Franz Leopold ihr den Weg versperrt. Verwirrt blinzelte das Mädchen. Hatte er nicht eben noch auf der Bank gesessen? Für sie war es unbegreiflich, wie er sich so schnell bewegen konnte.
»Clarissa, sei nett zu mir. Schau, ich will dir nichts Böses. Ich knie vor dir nieder und bitte dich, gib deinen Gefühlen eine Chance. Lass es zu, dass sich dein Herz mir zuwendet.«
»Mein Herz ist bereits vergeben und nichts und niemand wird daran etwas ändern«, erwiderte sie steif.
»Und wenn du ihn niemals wiedersiehst? Er wird nach Rom zurückkehren. Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen. Ich aber werde immer in deiner Nähe sein.«
»Wenn es zu Ende gehen muss, dann wird mein Herz brechen, aber niemals einem anderen gehören!«
Franz Leopold war in Versuchung, ihr zu sagen, wie kitschig das klang, aber der tiefe Ernst in ihren Worten beeindruckte ihn wider Willen.
»Wie überaus traurig. Kaum erwachsen, willst du das Dasein einer jungen Witwe führen und dich unter einem schwarzen Schleier der Trauer begraben? Tu das nicht. Was wäre das für eine Verschwendung. Das Leben hat so viel Schönes für dich bereit. Lass es zu, dass ich dich führe.«
Clarissa
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