Die Erben der Nacht 04 Dracas
schüttelte den Kopf. Tränen des Schmerzes rannen ihr über die Wangen. »Ich glaube Ihnen kein Wort. Ich werde warten. Luciano hat mir sein Wort gegeben, dass er mich mit sich nimmt, wenn er Wien verlässt, und ich glaube ihm.«
Franz Leopold erstarrte. »Das hat er gesagt?«
Sie nickte trotzig.
»Und hat er auch gesagt, unter welchen Umständen er dich mit zu seiner Familie nehmen wird?«
Sie sah ihn fragend an. Sie verstand seine Frage nicht so, wie er sie meinte. Natürlich nicht. Das hatte Franz Leopold auch nicht erwartet.
»In allen Ehren natürlich! Ich meine, so genau haben wir darüber nicht gesprochen, doch ich bin überzeugt, dass er an nichts anderes denkt. Er ist ein Ehrenmann und würde mir niemals ein unzüchtiges Angebot unterbreiten.«
Ihre flammende Rede konnte Franz Leopold nicht überzeugen.
Du ahnst gar nicht, wie unzüchtig dieses Ansinnen ist, falls er wirklich vorhat, seinen Worten Taten folgen zu lassen.
»Und nun lassen Sie mich gehen. Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.« Clarissa versuchte sich an ihm vorbeizudrängen, doch Franz Leopold stand vor ihr, unbeweglich wie ein Fels in der Brandung. Er spürte, wie ihre Wut aufloderte. Ja, Temperament hatte sie, und der Zorn stand ihr ganz reizend zu Gesicht.
Es war ein stummes Ringen, das keine ungleicheren Gegner hätte haben können. In ihrer Verzweiflung stürzte sie sich gegen seine Seite, um ihn von der Tür zu drängen, doch statt den Dracas auch nur einen Zoll zu bewegen, prallte sie ab und stürzte über die Lehne der Bank.
»Aua!« Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht ließ sie sich auf die Polster sinken. Ihre Linke umklammerte die andere Hand, mit der sie sich an den weiß lackierten Eisenbögen abgefangen hatte.
Er wusste, was passiert war, noch ehe er die roten Tropfen zwischen ihren Fingern hervorquellen sah. Der Duft ihres Blutes hüllte ihn ein und berauschte ihn. Ja, es war ein Klingen und Säuseln wie der Gesang von Sirenen, der ihn unwiderstehlich anzog. Er konnte nichts dagegen tun, obgleich ein Teil seines Verstandes ihm zurief, er müsse jetzt gehen, ehe es zu spät sei.
War es das nicht längst?
Etwas in ihm steuerte seine Beine, bis er neben ihr stand, ließ ihn den Rücken beugen und ihre Hand in die seine nehmen. Ja, er kniete vor ihr nieder und öffnete die zusammengeballten Finger mit sanfter Gewalt. Er wusste nur zu gut, dass es ein Fehler war, und dennoch senkten sich seine Lippen herab und küssten die Blutstropfen von ihrer Hand. Seine Zunge schob sich hervor und leckte über die Wunde. Wie köstlich. Wie wundervoll! Ach, wie hatte er diesen Geschmack vermisst. Wie hatte er es nur geschafft, sich so lange zurückzuhalten, nachdem er einmal davon gekostet hatte? Das Rauschen in seinem Kopf schwoll an.
Clarissa starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, gab jedoch keinen Ton von sich. Sie stand ganz unter seinem Bann, der ihren Geist im Griff hielt und sie nicht einmal an Flucht denken ließ.
Franz Leopold drückte die verletzte Hand fester an seinen Mund und begann an der Wunde zu saugen. Er spürte, wie er den Rest an Kontrolle über sich verlor und nichts dagegen tun konnte. Oder wollte er nur nicht? Hatte ein Teil seines Geistes entschieden, dass er nun alt genug war, an dem köstlichen Rausch teilzuhaben, der allen Vampiren zustand? Den erwachsenen Vampiren, die mit der Feier ihres Rituals als vollwertige Mitglieder des Clans aufgenommen worden waren! Ihm war - wie allen jungen Erben - der Genuss von Menschenblut noch immer verboten. Er musste sich mit dem schalen Geschmack von Tierblut begnügen. Es war nahrhaft und stärkte ihn, war aber nicht annähernd mit dem prickelnden Rausch zu vergleichen, den schon ein einziger Tropfen Menschenblut auslöste!
Das Blut drohte zu versiegen. Der Riss war zu klein, um mehr als ein paar Tropfen herzugeben. Ungestüm vergrößerte Franz Leopold die Wunde mit seinen Zähnen, doch auch dann blieb es ein Rinnsal. Nein, für die Ekstase, für die überschäumende, höchste Erfüllung, musste ein warmer Blutstrom die Kehle herabrinnen.
Es gab kein Zurück mehr. Franz Leopold riss das Mädchen in seine Arme, zerfetzte den Stoff, der ihm im Weg schien, und stieß seine Reißzähne in die zarte Haut, bis sie auf die Ader stießen, durch die ihr immer rascher schlagendes Herz den Strom pumpte. Das Pulsieren setzte sich durch seinen eigenen Körper fort und ließ ihn schaudern. Mit einem erlösenden Seufzer bohrte er seine Zähne in die Blutbahn.
Warmes,
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