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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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weiß.«
    Tammo sah sie irritiert an. »Was soll das? Hältst du uns für einfältig? Ihr habt Clarissa entführt. Irgendwer muss sagen können, wo sie sich befindet. Dein Vater hat sie offensichtlich zuletzt gesehen, also muss er auch wissen, was mit ihr geschehen ist.«
    Nicoletta schüttelte den Kopf. »Nein. Keiner der Oscuri kann es deinen Freunden sagen, denn sie ist nicht mehr in ihren Händen.«
    »Wo ist sie dann?«
    Nicoletta hob die Schultern. »Wer weiß? Mein Vater hat jedenfalls nichts mit ihrem Verschwinden zu tun, auch wenn die anderen Oscuri das offensichtlich annehmen.«
    Tammo verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie finster an. »Ich glaube dir kein Wort. Geh jetzt in deinen Sarg zurück und mach mir keinen Ärger, wenn du nicht willst, dass ich dich noch einmal aussauge, bis du gar nicht mehr die Kraft hast, den Sarg zu verlassen.«
    Er meinte diese Drohung zwar nicht ernst und war sich auch nicht sicher, ob sie ihm glaubte, aber zumindest ging sie zurück zu dem aufgeklappten Sarg und ließ sich im Schneidersitz darin nieder. Ihr Blick ruhte weiterhin auf Tammo, doch der wandte ihr den Rücken zu und starrte aus dem Fenster. Er wollte nicht, dass sie seine Unsicherheit bemerkte, die wie Wellen in ihm aufschwappte. So schwiegen sie. Er spürte ihren Blick in seinem Rücken, und er wusste nicht so recht, ob ihm diese Wärme unangenehm war oder ob er sie nicht sogar genoss.
    »Blödsinn«, murmelte er vor sich hin. »Sie ist nur ein lästiges, kleines Mädchen.«
    Ein schönes kleines Mädchen.
    Ein verdammt schönes Mädchen!
    ***
    Sie war nicht gekommen. Wieder verstrich eine Nacht, ohne dass sich die Oscuro blicken ließ. Wo war Nicoletta? Warum kam sie nicht mehr? Hatte sie Clarissa hierhergebracht, um sie zu vergessen, wie man all die Frauen hier auf San Clemente vergaß, die zu verrückt oder auch nur zu schwierig oder unbequem waren, als dass man sie in seiner Nähe wissen und sich um sie kümmern mochte?
    Sie war schwierig und unbequem, und sie glich einem Monster, was sie sehr wohl wusste, auch wenn das Wasser zu ihren Füßen kein Spiegelbild ihres Gesichts zeigte. Clarissa seufzte. Ihr Blick wanderte über das Wasser, doch sie konnte keine Gondel ausmachen, die sich San Clemente näherte. Was sollte sie jetzt tun?
    Ihre Gedanken wanderten zu dem düsteren Klostergebäude mit seinen noch viel dunkleren Geheimnissen, die es in den unzähligen Zellen wahrte. Sie dachte an Doriana, die schöne, stolze Frau, die vielleicht am wenigsten an diesen Ort gehörte, und an ihre Geschichte. Ein Lächeln erhellte ihr einst so schönes Gesicht. Ja, sie wollte wissen, wie die Geschichte weiterging.
    Clarissa erhob sich und ging durch den Klostergarten zum Kreuzgang hinüber. Voller Erwartung stieg sie die Treppe hinauf und näherte sich der letzten Zelle, wo Doriana am Fenster stand und zwischen den Gitterstäben hindurch über die stille Lagune hinaussah.
    »Ach, da sind Sie ja wieder«, begrüßte sie die schöne Frau mit den traurigen Augen. »Kommen Sie herein.«
    Clarissa folgte der Aufforderung und nahm wieder auf dem Stuhl Platz.
    »Warum sind Sie hier?«, fragte Doriana.
    »Um Ihnen genau diese Frage zu stellen?«
    »Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich es nicht weiß. Dass ich Jahr für Jahr vergeblich über die Lagune hinausschaue, ohne eine Antwort zu finden.«
    »Dann fahren Sie in Ihrer Geschichte fort«, bat Clarissa. »Vielleicht werden wir gemeinsam eine Antwort finden.«
    Doriana sah sie zweifelnd an.
    »Ich bin ebenso eine Gestrandete wie Sie und habe nur noch eine Vergangenheit und keine Zukunft mehr«, sagte Clarissa leise.
    Doriana nickte. Ihr Blick schweifte in die Ferne. Clarissa spürte, wie sie in die Vergangenheit glitt. Sie wartete, doch die Frau schwieg.
    »Sie haben mir von Rom erzählt, wo Sie ihre Kindheit verbracht haben, und von dem Conte, der Sie nach Venedig brachte. Sie sprachen von einem Vertrag zwischen ihm und Ihrem Vater und von dem Mann, der sich in Sie verliebte und Sie auf Sant’Erasmo aufspürte, wohin der Conte Sie gebracht hatte.«
    Doriana hob den Kopf. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. »Sie haben gut zugehört.«
    Clarissa nickte. »Der Mann, der sich in Sie verliebt hatte, entführte Sie? Das sagten Sie doch.«
    Doriana legte den Kopf schief und überlegte. »Ich weiß es nicht so genau. Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht, aber heute denke ich, er glaubte lediglich, mich zu entführen.«
    Clarissa sah sie verwirrt an. »Das

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