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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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verstehe ich nicht.«
    Doriana seufzte. »Ich auch nicht so ganz. Sie müssen wissen, er war nicht irgendein Mann. Er war der Mann Venedigs, der am meisten gesucht und gefürchtet, gehasst und verehrt wurde. Er war zu dem Ball nicht geladen, und dennoch denke ich heute, der Conte hatte ihn sehr wohl erwartet. Spreche ich in Rätseln?«
    Clarissa starrte sie noch immer an, während in ihrem Kopf ein Bild erschien.
    »Wer war er? Ich ahne, wie er sich Ihnen näherte, in einen schwarzen Umhang gehüllt mit einem Dreispitz auf dem Kopf, das Gesicht hinter einer Maske verborgen.«
    Nun war es an Doriana, sie fassungslos anzustarren. »Ja, wie können Sie das wissen? Sie sind noch viel zu jung, um die Zeiten erlebt zu haben.«
    »Da ganz Venedig vor den huschenden Schemen zitterte? Oder genauer gesagt, die Reichen von Venedig, deren Geld und Schmuck lautlos und spurlos verschwand wie Sie selbst?«
    Doriana nickte nur stumm.
    »Ich habe selbst mit ihnen Bekanntschaft gemacht. Mehr als mir lieb sein kann«, stieß Clarissa bitter hervor.
    » Larvalesti , die schemenhaften Geister«, hauchte Doriana. »Ich habe sein Gesicht nicht gesehen, doch seine Stimme hat mich verzaubert. Seine Gesten, seine Bewegungen haben mich gebannt. Er verbeugte sich vor mir und reichte mir die Hand zum Tanz. Er forderte das Orchester auf, einen Walzer zu spielen, und die Musiker gehorchten. Der ganze Saal schien wie versteinert. Keiner rührte sich. Sie alle starrten uns nur an, während der Schemen sich mit mir durch den Ballsaal drehte. Dann ließ er mich los, küsste meine Hand und verschwand. Die Lichter im ganzen Palazzo erloschen, und wir blieben, wie in einer Trance gefangen, zurück. Lange hatte ich das Gefühl, er würde mich noch immer unverwandt anblicken. Bis tief in mein Herz.«
    »Sie haben sich in ihn verliebt?«
    »Ich weiß es nicht. Jedenfalls war ich so verwirrt, dass ich mich dem Conte anvertraute.«
    »Nach dem Ball?«
    »Ja, nach dem Ball, an dem all der Schmuck der Damen im Beutel des geheimnisvollen Fremden verschwand. Auch das herrliche Diamantkollier, das mir der Conte für diesen Abend gegeben hatte. Doch am nächsten Tag war es wieder da. Ich trug es um meinen Hals, als ich am Morgen erwachte. Er war dagewesen, während ich schlief, in meinem Zimmer! Und er hatte mir meinen Schmuck zurückgebracht. Ich erschrak so sehr, dass ich zum Gemach des Conte eilte und ihm das Kollier entgegenstreckte.«
    »Wie hat er reagiert?«, fragte Clarissa neugierig.
    »Er hat mich beruhigt und getröstet und mich noch am selben Tag aufgefordert, meine Habseligkeiten zu packen.«
    »Er wollte Sie vor dem Schemen beschützen«, meinte Clarissa.
    »Ich weiß nicht. Ich glaubte, so etwas wie Triumph in seiner Miene lesen zu können. Früher dachte ich, er triumphierte, weil er die Pläne des Oscuro rechtzeitig erfahren hatte und sie durchkreuzen konnte, indem er mich wegbrachte.«
    »Und was denken Sie heute?«
    »Dass vielleicht genau das geschah, was er wollte.«
    »Der Conte wollte , dass der Schemen Sie entführt?«, wiederholte Clarissa ungläubig.
    Doriana hob die Schultern. »Es hört sich unglaublich an, ich weiß, und ich kann selber nicht so recht glauben, dass es stimmt.«
    »Und dennoch lässt Sie diese Vermutung nicht los. Warum?«
    »Er schärfte mir eine Adresse und einen Namen ein, die ich nie vergessen und auch niemandem verraten sollte. Er sagte: Wenn dir etwas zustößt, komm dorthin und hinterlass mir eine Nachricht.«
    »Er wusste, was passieren würde.«
    »Ja, und er ließ es geschehen.«
    Die beiden Frauen sahen einander an und schwiegen eine Weile. Schließlich erhob Clarissa wieder das Wort. »Sind Sie gern mit dem Schemen mitgegangen oder nur seiner Magie erlegen?«
    Doriana hob die Schultern. »Wer kann das so genau sagen? Ich folgte ihm ohne Widerstand, doch das ist nicht die Antwort auf Ihre Frage. Irgendwann jedenfalls war es Liebe.«
    »Haben Sie Ihr Versprechen dem Conte gegenüber eingelöst?«, wollte Clarissa wissen.
    »Ja, sobald ich konnte, verließ ich das Haus, das nun mein Zuhause werden sollte, und überbrachte dem Conte eine Nachricht.«
    »Wollten Sie zu ihm zurück?«
    Doriana schüttelte den Kopf. »Nein, ich wollte ihn nur wissen lassen, dass es mir gut ging. Er verlangte auch nicht, dass ich zu ihm zurückkehren sollte. Vielleicht, weil ich nun, da ich meine Unschuld verloren hatte, keinen Wert mehr für ihn besaß.«
    Clarissa spürte, dass sie nicht überzeugt war. »Oder?«
    »Oder ich war

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