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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ab.
    »Calvino ist nicht der Erste, der den Oscuri frisches Blut zugeführt hat, und das ist auch gut so. Wir haben im Laufe der Generationen unglaubliche Fähigkeiten entwickelt. Wir sind schneller und geschickter als die anderen Menschen. Wir können bei Dunkelheit besser sehen, doch nun müssen wir dafür sorgen, dass wir auch so schnell und stark bleiben. Wir können es uns nicht leisten, zu degenerieren. Sieh dir den Hochadel Europas an, wie Schwäche und Irrsinn um sich greifen. Das ist kein Zufall, sage ich. Längst sprechen Ärzte darüber, dass ihr Blut  – immer nur mit ihresgleichen vermischt  – fahl wird, sodass nichts Rechtes mehr daraus hervorgehen kann.«
    Alessandro schnaubte. Nicoletta schien, er sei noch nicht überzeugt. Lieber würde er sie wohl zusammen mit ihrem Vater in die Tiefe stürzen sehen. Tot oder von der Polizei verhaftet, die er auf ihre Spuren gehetzt hatte.
    Heißer Zorn wallte in ihr auf, doch auch Furcht. Sie musste ihren Vater warnen. Sie musste ihn retten! Vergessen war der Groll über seine Lüge. Er war ihr Vater und ihr Padre . Er war alles, an das sie ihr Leben lang geglaubt hatte. Ehre, Vertrauen, Zusammenhalt der Familie.
    All die Werte, die Flavio und Alessandro in dieser Nacht verrieten.
    Endlich gingen die beiden hinüber zum Eingang des Verstecks, um mit den anderen die letzten Vorbereitungen für die Nacht zu treffen.
    Nicoletta wartete noch einen Moment, dann machte auch sie sich auf den Rückweg.
    In Tommasos Gemach waren bereits die meisten Familienmitglieder versammelt. Sie waren wohl den Wasserweg gekommen. Nicoletta sah neben ihrem Onkel Leone seine drei Söhne: Daciano und Enrico, beide Anfang zwanzig, groß gewachsen, mit dem fein geschnittenen Gesicht des Vaters und dunklen Augen und Haaren. Enrico trug einen Verband um die Schulter. Der jüngste dagegen, Matteo, war ein ganzes Stück kleiner und geradezu zierlich zu nennen. Daneben saßen ihre Brüder Edoardo und Filippo, die ihr Blicke voller Abneigung zuwarfen, als sie den Raum betrat. Natürlich waren auch Flavio und Alessandro da. Die Verräter, die sich nichts anmerken ließen.
    Es fehlten nur noch ihr Vater und ihr Onkel Michele mit seinem nun einzigen Sohn Gabriele, nachdem der jüngere Cassio im Kampf mit den Vampiren getötet worden war.
    Nicoletta hörte unten das Klacken der Tür, und schon erschienen die drei Männer auf dem Treppenabsatz. Calvino hängte Hut und Umhang zu den anderen an seinen Haken. Seine rechte Hand war dick verbunden.
    Er trat in die Mitte und sah sich um, bis sein Blick an Nicoletta hängen blieb. Seine Miene wurde weich, und dennoch klang seine Stimme fest und entschlossen, als er sprach.
    »Nicoletta, du kannst heute Nacht nicht mitkommen. Ich bitte dich, geh nach nebenan und warte, bis wir mit unserer Besprechung fertig sind.«
    Seine Worte ließen keine Widerrede zu, und Nicoletta scheute sich, ihre Anklage vor allen laut herauszuschreien.
    Wer würde ihr glauben? Vermutlich wäre das Einzige, was sie damit erreichen könnte, dass man sie die Nacht über einsperren würde.
    Daher nickte sie nur. »Kommst du nachher noch zu mir, um dich zu verabschieden?«, bat sie.
    »Natürlich, meine Liebe«, antwortete Calvino und strich seiner Tochter über das Haar, als sie an ihm vorbei zur Tür ging. Dort hielt sie inne. Sie nahm ihren Umhang von den Schultern. Ein verstohlener Blick zu den anderen sagte ihr, dass keiner auf sie achtete. Rasch vertauschte sie ihn mit dem ihres Vaters und ging dann hinaus. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.
    Unruhig ging Nicoletta im Nebenraum auf und ab. Sie konnte nicht hören, was drüben besprochen wurde. Fast eine Stunde verstrich, ehe sie Schritte ahnte und sich die Tür wieder öffnete. Die Treppe knarzte, als die ersten Oscuri sich anschickten, das Haus zu verlassen. Mit verkrampften Schultern stand Nicoletta im Zimmer, als ihr Vater endlich eintrat. Er kam auf sie zu und umarmte sie.
    »Es wird alles wieder gut. Vertraue darauf«, sagte er.
    Alles? Ach ja?, fuhr es ihr durch den Sinn. Du glaubst, meine Mutter nach so vielen Jahren noch aufspüren zu können? Du denkst, du könntest uns die gemeinsamen Jahre, die uns gestohlen wurden, wiederbringen?
    Sie sprach es nicht aus. Vermutlich war es nicht seine Schuld, und vielleicht schmerzte es ihn auch nach dieser langen Zeit noch tiefer, als sie es erahnen konnte. Er hatte für seine Tochter das Beste gewollt und versucht, ihr Kummer zu ersparen, das glaubte sie ihm.
    Sie würden sich

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