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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ihrer Flugbahn und schleuderte sie mal nach rechts und mal nach links, doch Alisa balancierte die wütenden Wogen aus, legte sich in die Kurve, um weniger Widerstand zu bieten, und schloss sich dann Leo an, der ebenfalls durchgeschüttelt wurde.
    Das könnte einen kräftigen Sturm geben, meinte Leo.
    Ihr heiseres Krächzen ging im Brausen des Windes unter. Es war gut, dass sie sich in ihren Gedanken verständigen konnten.
    Wohin fliegen wir?, erkundigte sich Alisa.
    Abwarten.
    Leo wandte sich nach rechts und segelte in einem weiten Bogen über die Spitze von Dorsoduro. Alisa konnte das goldene Ruderblatt auf dem Zollhaus an der Punta della Dogana erkennen. Dann wandte sich Leo nach Süden und überflog den Canale della Giudecca mit der gleichnamigen Insel. Unbeirrt zog er weiter nach Süden. Der Wind schlug ihnen mal entgegen, dann wieder drückte er von der Seite und brachte sie aus der Bahn, nur um für einen Moment wieder innezuhalten. Dann schossen die beiden Möwen vorwärts, ehe die nächste Böe sie erfasste. Rechts und links unter sich ahnten sie kleinen Inseln, von denen nur noch wenige bewohnt zu sein schienen.
    Tammo kam Alisa in den Sinn. War er nicht mit Nicoletta in ihrem Boot aus dieser Richtung herangerudert? Sie hatte die beiden mitten in der Lagune erspäht und konnte nicht sagen, wo sie hergekommen waren, doch eine Ahnung sagte ihr, dass dieser Ort nun ihr Ziel sein würde. Das wäre auch die Erklärung für Tammos Seelenpein. Er hatte Clarissa tatsächlich aufgespürt, und doch konnte er es nicht über sich bringen, Luciano die Nachricht zu überbringen. Weil es keine gute Nachricht war?
    Ja, du bist auf der richtigen Fährte, bestätigte Leo, der es natürlich wieder einmal nicht lassen konnte, ihre Gedanken zu begleiten.

Willst du mir nicht sagen, was mit ihr passiert ist?, bat Alisa.
    Warte es ab. Wir sind gleich da. Ich denke, es ist die Insel dort, wenn ich in den Gedanken deines Bruders recht gelesen habe. Das dort drüben sollte das Kloster von San Clemente sein.
    Ich sehe Licht, meinte Alisa. Das Kloster scheint nicht verlassen.
    Und doch leben dort keine Mönche oder Nonnen mehr. Soweit ich weiß, ist es ein Spital oder eine Anstalt oder so etwas.
    Tiefer und tiefer sank Leo herab. Alisa folgte ihm. Sie ließ den Blick schweifen, konnte aber, außer dem Licht hinter einigen Fenstern, keine Zeichen von Leben erkennen. Leo kreiste einmal über dem etwas vernachlässigten Klostergarten, ehe er zur Landung ansetzte. Er wandelte sich zurück. Alisa folgte seinem Beispiel. Als sie sich aufrichtete, klatschten ihr die ersten Tropfen ins Gesicht.
    »Was nun?«, sagte sie laut, um das Tosen des Windes zu übertönen. Es war eine finstere Nacht. Selbst wenn die Wolken den Himmel freigegeben hätten, würde kein Mondlicht ihren Weg erhellen. Leo hob die Schultern. »Ich weiß nicht, wohin wir müssen, aber so groß ist die Insel nicht.« Er drehte sich um seine Achse. Alisa konnte sehen, wie er versuchte, Witterung aufzunehmen. Seine Nasenflügel blähten sich. Der Regen machte es nicht einfacher, doch wenn es eine Spur gab, dann würden sie sie auch finden.
    »Clarissa!«, stieß Alisa aus, nachdem sie um ein eingefasstes Kräuterbeet herumgegangen war. »Die Spur ist frisch. Von heute Nacht, würde ich behaupten, aber ich wittere noch etwas anderes.« Sie zog die Nase kraus. »Es riecht  … « Sie überlegte, bis sie wusste, was sie gerochen hatte. »Verbrannt«, sagte sie schließlich und stöhnte. Sie sah zu Leo hinüber, in der Hoffnung, er würde ihr widersprechen, doch er nickte nur mit grimmiger Miene.
    Sie folgten der Fährte zum Kloster hinüber, betraten die Kirche und verließen sie wieder. Alisa sah sich fast ein wenig ängstlich um. Was würde sie erwarten? Sie wollte die Antwort wissen und fürchtete sich doch vor ihr.
    ***
    Sie trafen Clarissa im Kreuzgang.
    Alisa hätte sie auf den ersten Blick gar nicht erkannt und musste sich zügeln, um nicht einen Ruf des Entsetzens auszustoßen. Ihre Hand fuhr zu ihrem Mund. Sie war froh, dass Leo ein Stück vor ihr ging und Clarissa zuerst begrüßte.
    Wie war so etwas möglich? Wie hatte das passieren können?
    Nun, die Antwort auf die zweite Frage war einfach. Clarissa war der Sonne ausgesetzt gewesen, doch das musste Tage her sein. Warum sah sie immer noch so schrecklich aus? Warum heilten ihre Wunden nicht?
    Keine Ahnung, kommentierte Leo ihren Gedanken, während er Clarissas brandverkrustete Hände in die seinen nahm. In diesem Fall

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